Eine Liebe in Den Highlands: Roman
restlichen Taschen
und ihren Laptop zu holen. Sie hätte nicht unbedingt erwartet, dass jemand
anders sie für sie trug, aber es wäre doch freundlich von Felicity gewesen, ihr
etwas abzunehmen, und wenn es nur die Tragetasche mit den Pralinen und der
Pflanze gewesen wäre, den Geschenken für ihre Gastgeber.
Endlich auf ihrem Zimmer, schloss sie als Erstes ihren
Laptop an. Zum Auspacken hatte sie noch keine rechte Lust. Es war fast so, als
glaubte sie, die Kleider in ihrem Koffer nähmen in dem Augenblick die Kälte des
Raumes an, in dem sie sie auspackte. Außerdem konnte sie sich nicht erinnern,
irgendetwas Wärmeres eingepackt zu haben als ihren Hosenanzug. Allerdings war
Lady Dalmain, wenn Felicity auch nichts davon gesagt hatte, sicherlich eine
Frau, die erwartete, dass man sich zum Abendessen umzog, und da Jenny nun schon
ziemlich lange in ihren Sachen steckte, hätte sie ganz gern etwas anderes
angezogen.
Jedenfalls würde sie sich nicht ausziehen, bevor sie
nicht irgendetwas als Ersatz herausgesucht hatte. Also loggte sie sich zunächst
einmal in ihr E-Mail-Konto ein. Sie las aber nichts von dem, was dort ihrer
Aufmerksamkeit harrte -Mails von anderen, weniger anspruchsvollen Kunden als
dem, der sie hierher geschickt hatte -, sondern schrieb nur rasch eine
Nachricht an ihre Mutter.
Liebste Mama, nun, ich bin inzwischen angekommen. Wie
du es vorhergesagt hast, herrschen hier Minus-Temperaturen. Du hattest völlig
Recht, was die warme Unterwäsche angeht, ich brauche sie hier wirklich. Und um
mir die stundenlange Suche im Internet zu ersparen, wo ich mir welche bestellen
könnte: Wärst du wohl ein Schatz und schicktest mir etwas? Unterhemden,
Unterröcke, Nachthemden, ich glaube, es wäre am einfachsten, du ließest mir
einmal das ganze Sortiment aus dem Otto-Katalog zusenden. Aber erzähl um Gottes
willen Henry nichts davon, er würde sich totlachen. Ach, und ein Heizkissen
brauche ich. Fürs Erste kann ich mir, wenn ich Glück habe, vielleicht eine
Wärmflasche organisieren. Die Landschaft allerdings ist sehr schön. Doch die
Familie scheint aus lauter Verrückten zu bestehen. Habe die Mutter bisher noch
nicht kennen gelernt. Sie scheint, nach dem, was ich bisher gehört habe, die
Schlimmste zu sein. Warum habe ich mich breitschlagen lassen, hierher zu
kommen? Darauf erübrigt sich wohl
eine Antwort! Mit lieben Grüßen, deine Tochter Jenny.
Während sie noch online war, fiel ihr ein, dass sie
ihre Ankunft auch ihrem Kunden melden konnte. Sie tippte:
Fahrt ohne besondere Ereignisse, bin sicher
angekommen. Habe die Familie bisher noch nicht kennen gelernt. Weiterer
Kurzbericht folgt.
Mit freundlichen Grüßen G. Porter
Henry schickte sie keine E-Mail. Damit wollte sie
warten, bis sie etwas Positives zu berichten hatte. Alles, was sie ihm jetzt
schrieb, würde ihn nur - unter dem Mantel des Mitleids - zu einer ätzenden
Bemerkung veranlassen: »Ein bisschen ins Schwimmen geraten, Schätzchen? Ich
habe dich ja gewarnt…« Sie würde Henry ein oder zwei Sachen klar machen müssen.
Um sieben Uhr begab sie sich nach unten. Im Winter ist
es völlig normal, wenn man aussieht, als hätte man sich warm eingepackt. Im
Oktober dagegen wirkt es irgendwie rüde, wenn man jedes einzelne Kleidungsstück
am Leib trägt, das man mit zu seinen Gastgebern gebracht hat. Andererseits
wirkte es auch nicht besonders kultiviert, wenn einem die Zähne klapperten,
während man mit seiner Gastgeberin zu plaudern versuchte. Außerdem hatte Jenny
gar keine richtigen Wintersachen mitgenommen und musste daher ohnehin improvisieren.
Sie trug zwei Strumpfhosen, einen Slip, den Rock, der
zu dem Jackett ihres Hosenanzugs gehörte, und eine saubere Baumwollbluse über
der seidenen, auf der ein Fettfleck prangte. Darüber hatte sie ihren einzigen
Pullover gezogen - den aus Lambswool - und darüber die Jacke. Sie kam sich ein
bisschen vor wie die Wurst in der Pelle, aber das war immer noch besser, als
offensichtlich vor Kälte zu schlottern. Sie hatte schon beschlossen, bei der
erstbesten Gelegenheit den nächsten Laden für Wollsachen aufzusuchen, in dem es
einen Schlussverkauf gab, und dort den gesamten Lagerbestand aufzukaufen. Im
Grunde ließ sich jeder schottische Plaid mit einer Sicherheitsnadel in einen
Rock verwandeln, vor allen Dingen, wenn Henry nicht da war, um seinen Senf
dazuzugeben.
Jenny war etwas nervös, als sie sich dem Raum näherte,
aus dem gedämpfte Stimmen drangen - Stimmen, denen man anmerkte, dass
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