Eine Liebe in Paris
während er den anderen Arm um meine Taille schlang.
»Komm mit mir«, flüsterte er.
»Bis ans Ende der Welt«, entgegnete ich und er lachte.
»So weit ist es gar nicht notwendig, zehn Schritte genügen schon.«
Ich folgte ihm und er zählte dabei leise jeden Schritt mit. »
Un, deux, trois
…«
Sein Atem streifte meine Wange warm und frisch, und ich roch sein Aftershave, das nach Sandelholz duftete.
»Jetzt«, sagte er und hob die Hand von meinen Augen. »Tischlein-deck-dich!«, rief er und lachte stolz.
»Oh«, begann ich und wusste dann nicht mehr, was ich sagen sollte, denn vor purem Entzücken und Erstaunen versagte mir die Stimme. Direkt neben einem der vier Pfeiler des Eiffelturms hatte Wolff einen kleinen runden Klapptisch aufgebaut, um den Teelichter in kleinen Gläsern brannten. Im Schein ihrer flackernden Flammen leuchtete die weiße Leinentischdecke, die bis auf den Kies fiel, und auf dem Tisch selber stand noch ein Kerzenleuchter, der wie aus einem Theaterfundus aussah, so dick und silbern, wie er war.
»Ich hoffe, es schmeckt dir«, sagte Wolff hinter mir bescheiden. »Ich kenne deinen Geschmack nicht.«
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Der Tisch bog sich geradezu unter frischen Baguettes, Weintrauben, kaltem Huhn, etwas, das wie Pastete aussah, und einer Flasche Wasser.
»Soll ich den Champagner holen?«, fragte Wolff und schlang seine Arme von hinten um mich, sodass mein Rücken sich an seine Brust presste und seine Atemzüge zu meinen wurden. Es fühlte sich wunderschön an, wie in einem Traum, der niemals vergehen durfte. Wir waren dort im Schatten des großartigen Turms ein einziges Wesen.
»Champagner? Wo ist denn der Kühler?«, fragte ich und fand, dass es nach Frau von Welt klang.
Er lachte süß. »Nirgends. Oder – direkt neben uns. Wir haben den größten Kühler der Welt. Die Flasche hängt an einer Schnur in der Seine.«
Er küsste meinen Nacken, dort, wo meine offenen Haare im Abendwind ihm eine Gelegenheit dazu ließen. Eine Gänsehaut lief über meine Haut, doch ich versuchte, gelassen zu klingen, als ich fragte: »In der Seine?«
Er nickte. »Sicher. Der Fluss ist um diese Jahreszeit eiskalt. Soll ich sie holen gehen? Oder …« Er drehte mich zu sich, und die Flammen der Teelichter und Kerzen brachen sich in seinen Augen, deren Farbe mich heute wieder an bittere Schokolade erinnerte. »… sollen wir noch warten?«
Sein Mund war meinem nahe, ganz nahe, und mein Herz setzte einen Schlag lang aus, ehe es stolpernd seinen Takt wiederfand.
»Nein«, sagte ich und befreite mich sanft aus seinem Griff. »Lass uns den Champagner holen.«
»Wie du willst.« Er nahm meine Hand wieder und zog mich erst über die Seinebrücke und dann die Treppen hinunter zum
Quai
.
»Hier ist sie schon. Warte.« Er schlüpfte aus seinen
Converse All Star
, krempelte sich die Jeans hoch und watete die ersten Stufen hinunter ins Wasser, so wie ein Kind in einen See im Sommer. »Brr. Kalt. Das ist nicht mehr
Paris Plage!
Im Sommer lässt der Bürgermeister hier Sand aufschütten, und alle tun so, als wären sie in Deauville.« Er bückte sich, holte die Flasche Champagner ein und reichte sie mir.
»Gott sei Dank hat sie kein
Clochard
gefunden«, sagte ich lachend.
»Da hätten wir einen Menschen glücklich gemacht. Aber so …« Er kam zu mir hoch, zog mich wieder an sich und zauberte zwei Gläser aus der Hosentasche seiner weiten, mit etwas Farbe beklecksten Jeans. »… dadada! Bin ich der Glückliche!«
Der Korken machte
plopp
und der Champagner schäumte in mein Glas. Wir stießen gerade an, als eines der hell erleuchteten Ausflugsboote an uns vorüberzog und Fetzen von Tangomusik zu uns auf den
Quai
drangen.
»Tango. Kannst du tanzen?«, fragte er mich.
Ich schüttelte den Kopf.
»Mädchen, Mädchen. Na, macht nichts. Paris gibt dir jede Erziehung, die du sonst versäumt hast.«
Ich hatte gerade noch Zeit, einen Schluck Champagner zu trinken, als er mich schon nach hinten bog und mein Körper durch seinen geheimnisvollen Zauber ganz weich und biegsam wurde. Der Rausch dauerte nur ein, zwei Drehungen lang, dann war das Boot auf der Seine weitergegelitten und dunkle Stille umgab uns wieder. Wir blieben im Wiegeschritt hängen, und ehe ich etwas sagen konnte, küsste Wolff mich, und mein ganzes Ich schmolz unter diesem Kuss zu einer glühenden Masse. Meine Enttäuschung vom Morgen im
Café Marly
und meine Anspannung von gerade eben lösten sich auf und rasten nun wie
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