Eine Liebe in Paris
elektrischer Strom durch meine Adern. Wolff hob mich an, als sei ich so leicht wie eine Feder,und setzte mich auf einen der Treppenpfeiler. Wir verschmolzen von den Lippen an bis zu meinen Füßen, die ich um seine Waden schlang, miteinander. Seine Hände waren überall, auf meinem Hals, meinen Armen, in meinem Nacken, sie wühlten sich durch meine Haare, streiften über meinen Rücken und glitten schließlich unter meinen Pullover, als uns plötzlich wieder grelles Scheinwerferlicht erfasste.
»
Merde
«, fluchte Wolff und der Kapitän des Seinebootes, das seine Scheinwerfer auf uns gerichtet hatte, drückte begeistert auf das Horn, dessen Ruf die Pariser Nacht zerriss. Die Leute, die auf dem Boot zu Abend aßen, hoben uns prostend ihre Gläser entgegen und winkten uns zu.
Ich schlug mir die Hände vors Gesicht, aber winkte dann doch zurück, und als die Dunkelheit uns wieder schluckte, küsste Wolf mich zärtlich, ehe er mich von dem Pfeiler hob.
»Die sind nur neidisch. Was glaubst du, wie gerne die wieder jung wären und auf einer Seinebrücke küssen würden. Komm, lass uns essen«, sagte er, und wir gingen Hand in Hand die Stufen nach oben. Als wir aber an unserem kleinen Klapptisch am Fuß des Eiffelturms ankamen, sahen wir gerade noch zwei Männer in der Dunkelheit davonlaufen, und das Essen war verschwunden.
»Hey! Halt, stehen bleiben!« rief ich und wollte ihnen hinterherlaufen, aber Wolff hielt mich zurück.
»Auf die
Clochards
rund um das Marsfeld ist Verlass. Nun habe ich doch einen Menschen glücklich gemacht«, sagte Wolff.
»Mehr als einen«, stellte ich richtig und er lächelte.
»Lass uns zu mir fahren, okay?«
»Okay.« Ich schluckte. »Mit der
Métro?
«
»Igitt. Viel zu schmutzig und viel zu viele Leute. Das ist nichts für meine Prinzessin. Nein, ich habe einen Helm für dich.«
»Einen Helm?«
»Ja, meine Vespa parkt dort vorn. Komm.«
»Was ist mit dem Tisch?«
»Man muss wissen, wann man den Göttern ein Opfer bringen muss. Dieser Augenblick ist jetzt gekommen. Ich nehme nur den Kerzenleuchter mit. Gott sei Dank haben diese Banditen nicht gesehen, wie viel der wert ist.«
Er reichte mir einen Helm, und als ich mich hinter ihm auf den Sitz seiner Vespa schwang und mich an ihn schmiegte, als er Gas gab und der Nachtwind mir kalt ins Gesicht blies, während ich den Kerzenleuchter in der Armbeuge hielt, da fühlte ich mich so eins mit mir und meinem Leben wie noch nie zuvor. Ich fühlte mich als
Parisienne
.
Wolff parkte seine Vespa nur einige Straßen vom
Hôtel de Ville
entfernt. Sein Arm lag auf meiner Schulter, während er mich zu Fuß durch den Verkehr auf der
Rue des Archives
lenkte und wir dann gemeinsam in die kleinen Straßen des
Marais
eintauchten. Ein- oder zweimal grüßte Wolff jemanden, aber er war hauptsächlich damit beschäftigt, mich durch die Spaziergänger zu bugsieren, die den Sonntagabend genossen.
»Was hast du heute noch gemacht?« fragte er, als wir eine Straße nahe der
Place des Vosges
überquerten. Ich drehte mich um und erkannte überrascht die Stelle wieder, an der ich vor gut einer Woche Marie Lefebvre in ihr Auto hatte steigen sehen.
»Nichts Besonderes«, sagte ich, denn ich musste den Clown Camille erst noch verdauen und ihm in meinen Gedanken einen Sinn geben, ehe ich mit jemandem darüber sprechen konnte.
Stattdessen sagte ich: »Ich habe gestern Nacht einen Geist verjagt.«
Er lachte. »Wirklich? Erzähl mal.«
Ich erzählte von der
Scéance
und den Kleiderbügeln und er hörte mir aufmerksam zu.
»Du bist ganz schön mutig, den Geist einfach so rumzukommandieren.«
»Hm«, sagte ich nur. Sehr mutig hatte ich mich in jenem Augenblick vergangene Nacht schließlich nicht gefühlt.
»Interessierst du dich für Geister?«
»Eigentlich nicht. Mir langt das echte Leben momentan.«
Er drückte mich kurz an sich und lachte. »Mir auch. Aber wenn du willst, können wir mal die Katakomben von Paris besuchen.«
»Hm, vielleicht. Was sind denn die Katakomben genau?«
»Eigentlich keine Gräber, sondern die ehemaligen Steinbrüche von Paris. Erst als einige Straßenzüge vor Hunderten von Jahren einzubrechen begannen, kam den Stadtvätern der Gedanke, dass es vielleicht nicht so schlau war, Paris komplett zu unterhöhlen. Also machten sie aus der Not eine Tugend und füllten die vorhandenen Stollen mit Knochen und Schädeln aus den überfüllten Friedhöfen.«
»Igitt.«
»Nicht igitt. Die Totengräber waren dabei wahre Künstler, die die
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