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Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Titel: Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarete Mitscherlich
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ablehnen, weil sie fürchten, so zu werden, wie sie ihre Mutter in ihrer Phantasie erlebt haben.
    Weiblich ausgeübte Macht und Zukunft
    Die Sehnsucht nach der frühen Mutter-Kind-Symbiose kann jedoch auch bestehen bleiben, sodass die gegenseitige Verschmelzung als Liebeserfüllung angesehen wird, wie das in Teilen der Frauenbewegung manchmal der Fall ist. In der Idealisierung von Harmonie um jeden Preis, von masochistischer Lust oder der mütterlichen Opferrolle muss eine Rückkehr zu frühkindlicher Abhängigkeit und eine Entmündigung der erwachsenen Frau gesehen werden, so dass die Befreiung der Frau in Gefahr gerät, erneut unterzugehen. Der Kampf um die innere und äußere Emanzipation, der Kampf um eine neue Gesellschaft ist engstens mit der sich entwickelnden Fähigkeit der Frau zu Selbständigkeit, zu Entscheidungs- und Konfliktfähigkeit, zu Humor, Selbst- und Fremdkritik, zu Friedlosigkeit und, last not least, zur lustvollen Übernahme von Macht, Einfluss und Verantwortung verbunden, also mit Eigenschaften, die bisher vielfach als »männlich« angesehen wurden.
    Eine ganz andere Gefahr liegt in der Neigung mancher Frauen, sich als Teil des karrierebewussten Mannes zu erleben und dadurch seine Gefühlsabwehr, seine Macht und Größenphantasien, die sich mit Verfolgungsängsten und Sündenbocksuche paaren, zu zementieren. Wer die Macht hat, stellt sich nicht gern in Frage, wer sie aber als Frau zu erobern versucht, pflegt sich übermäßig in Frage zu stellen und verliert dadurch die realen Verhältnisse aus den Augen. Eine Frau kann daher gar nicht kritisch genug ihre sozialen Rollen und eigenen psychischen Reaktionen überdenken und sich fragen, ob ihre Angst vor eigener öffentlicher Macht und Einflussnahme berechtigt ist oder nicht. Dann widersteht sie auch der Neigung, sich als Teil des Mannes zu erleben.
    Die Psychoanalyse hat dazu beigetragen, dass Erinnerungen, verdrängte Motive und Konflikte dem Bewusstsein der Menschen wieder zugänglich gemacht werden können. Sie hat hierdurch auch Frauen geholfen, sich ihrer Geschichte zuzuwenden und sich diese zu eigen zu machen, sie hat ihnen geholfen, Vergangenheit mit Hilfe der Erinnerung abzuschließen und in der Gegenwart zu leben. Faktisch sind sich Frauen zunehmend darüber im Klaren, dass sie mit der Wendung der Aggression gegen sich selbst und der daraus resultierenden Manipulierbarkeit durch Schuldgefühle nicht nur sich selbst schädigen, sondern hierdurch auch den verhängnisvollen Kreislauf von männlichem Aggressions- und Selbstidealisierungsverhalten aufrechterhalten. Das eine bedingt das andere. Da der Mann aus seiner Aggression offensichtlich tiefe narzisstische Befriedigung und Gratifikation durch Macht und Einfluss zu ziehen vermag und sich nicht ändern kann, vielleicht auch nicht will, haben Frauen begonnen, dieses seit alters her eingeschliffene Zusammenspiel von männlicher Macht- und Zerstörungslust und weiblicher Unterwerfungs- und Opferfreude zu durchkreuzen. Der in Jahrhunderten trotz aufgezwungener und schließlich verinnerlichter Unterwerfungslust und Resignation geschärfte Sinn der Frauen für Unterdrückung in jeder Form kann von ihnen positiv eingesetzt werden. Je mehr Frauen sich ihrer Unterdrückung bewusst sind und aufhören, sie unbewusst zu genießen, umso eher gelingt es ihnen, die von Männer »gepachteten« Machtpositionen zu erringen, um ihre vernünftigere, einfühlungsfähigere und objektbezogenere Einstellung zu vielen Fragen der Lebensgestaltung und der Politik zur Geltung zu bringen.
    Es ist also höchste Zeit, dass Frauen ihre Angst vor Macht, Einfluss und Verantwortung überwinden, um sie anders, der Verinnerlichung einer ebenfalls jahrhundertealten Erziehung und moderner Nachdenklichkeit gemäß, d.h. weniger projektiv, aber dafür einfühlungsfähiger, kritischer und objektbezogener einzusetzen, als es in der jahrtausendealten Männergeschichte bisher der Fall war.
    Gibt es sie also die »neue Frau« und damit auch die »neue« Gesellschaft? Solche Fragen sind nicht leicht zu beantworten, die damit verbundenen Überlegungen werden immer nur unvollständig sein. Ich fasse zusammen: Frauen zu Retterinnen zu machen dient nur ihrer Idealisierung und ihrer Entfernung aus der Wirklichkeit unseres Lebens. Auch wenn Frauen weniger zu Projektionen und Aggressionsverschiebungen neigen als Männer, so unterstützen sie doch, wenn sie eine unkritische Haltung zu deren Wertewelt und deren mit Gewalttätigkeit verbundener

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