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Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Titel: Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)
Autoren: Margarete Mitscherlich
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anerkannt würde. Sie wird also einerseits zum Intrigieren aufgefordert, andererseits wird ihr gerade dieses vorgehalten und trägt zu dem Vorurteil einer charakterlichen Minderwertigkeit der Frau bei.
    Konflikte auszutragen, sich offen zu behaupten heißt aber mit Liebesverlust rechnen zu müssen. Wenn Frauen dem Druck bürgerlicher Wertvorstellungen aus Angst vor Liebesverlust nachgeben, erleben wir ihre Rückkehr zu alten, ihnen von jeher aufgezwungenen Verhaltensmustern, wie dem der Wendung von Aggression gegen sich selber, der Neigung zu intrigieren oder zu masochistischen Klagen über ihre Ausbeutung.
    Wie entsteht ein solcher Teufelskreis, und wie lässt er sich durchbrechen? Beide Geschlechter pflegen bei unserer Art der einseitigen mütterlichen Fürsorge in den ersten Lebensjahren mit der Mutter identifiziert zu sein. Die ursprüngliche Identifikation mit den mütterlichen Funktionen wird beim Mann frühzeitig unterbrochen, da von ihm, wie ich schon erwähnte, Durchsetzungsfähigkeit und Gefühlsunterdrückung verlangt werden. Bewusst oder unbewusst identifiziert sich aber auch die Mutter in unserer Gesellschaft mit diesen »Werten« und trägt dadurch das ihre zur typisch männlichen Entwicklung bei. Einerseits überlässt sie dem Mann die gesellschaftlichen Machtpositionen, andererseits erlaubt sie ihm innerhalb der Familie Regressionen auf kindlich-egoistische Bedürfnisse; sie ist die Mutter für alle – Kind wie Mann –, verachtet den Mann aber gleichzeitig für seine kindliche Tyrannei und klagt ihn deswegen an.
    Zusammenfassend kann man also sagen, eine von tradierten Wertvorstellungen geleitete Erziehung produziert weibliches und männliches Rollenverhalten, familiäre und gesellschaftliche Arbeitsteilung und damit verbunden den geschlechtsspezifischen Umgang mit Macht. Die den Frauen durch ihre Erziehung nahegelegten Werte der »Weiblichkeit« haben aber natürlich auch ihre Vorzüge, denn Frauen lernen durch deren Verinnerlichung differenzierter mit ihren Gefühlen umzugehen. Der Kontakt zu ihrer Gefühlswelt ist gewöhnlich ungestörter als beim Mann. Sie können sich daher leichter als der Mann in andere Menschen einfühlen und den anderen als anderen wahrnehmen. Wenn sich solche Fähigkeiten mit Wahrheitsliebe und Durchsetzungsvermögen verbinden, lernen Frauen, Macht einsichtiger und menschenfreundlicher auszuüben, als es in der Männerwelt bisher fertiggebracht wurde. In der vom Männerwahn, von Paranoia und absoluter Verlogenheit besessenen Nazizeit war es die Neigung – der Männer wie Frauen verfielen –, sich unkritisch falschen Vorbildern, Männlichkeits- und Weiblichkeitswerten und Herrenrassenidealen hinzugeben, die zur Katastrophe führte und den Zusammenbruch einer humanen Orientierung einleitete.
    Wer als Frau Einfluss gewinnen, wer unerträgliche gesellschaftliche Verhältnisse verändern will, muss also lernen, konfliktfähig zu werden, Macht und Verantwortung zu übernehmen. Solidarität unter Frauen ist gut, aber Solidaritätszwänge führen zu Konfliktscheu. Wie falsche von richtiger Solidarität, so müssen auch falsche von angemessenen Schuldgefühlen unterschieden werden. Der kritische Umgang mit uns selbst, unseren Gefühlen, unseren Traditionen, Werten und Erziehungsmustern ermöglicht es uns auch, dumpfen und projektiven von manchmal hellsichtig machendem Hass zu unterscheiden, d.h. zu erkennen, welche Gefühle wann berechtigt sind und welche Werte und Ideale Menschlichkeit unterstützen, statt letztlich in Dummheit, Engstirnigkeit und Unmenschlichkeit abzugleiten.
    Weiblichkeit und Männlichkeit
    Um ihre Macht zu erhalten, müssen die Unterdrücker die von ihnen Unterdrückten bekanntlich in Unwissenheit halten und vor ihnen die Zusammenhänge der jeweiligen Machtverhältnisse verbergen. Denk- und Lustverbote pflegen miteinander verbunden zu sein. Deshalb wurde Frauen über lange Zeit nicht nur der Verstand, sondern auch eine eigenständige Sexualität abgesprochen. Deshalb haben auch Frauen bis heute Angst vor der Lust, sei es vor der Lust an der Sexualität, vor der Lust am Denken oder vor der Lust an der Macht. In diese Kategorie männlicher Unterdrückung gehört auch die Behauptung: »Frauen sind die besseren Menschen«. Hier wird mit Hilfe ihrer Überhöhung versucht, den Frauen die Teilnahme an allem, was Lust macht, vor allem aber die an der Macht zu verwehren.
    Wenn sich beide Eltern an der Versorgung der Kinder beteiligen, wenn Kinder beiderlei Geschlechts
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