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Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Titel: Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)
Autoren: Margarete Mitscherlich
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ohne geschlechtsspezifische Vorurteile über typisch »weibliches« und »männliches« Verhalten erzogen werden, wird es eher möglich, dass Macht sich auf beide Geschlechter gleichmäßig verteilt. Ich weiß natürlich, dass sich familiäre Verhältnisse so einfach nicht in gesellschaftliche umsetzen lassen und dass nicht alle späteren Entwicklungen auf die Kindheit zurückzuführen sind. Die Gesellschaft ist kein Abklatsch der Familie, und wir sind nicht quasi schicksalhaft lebenslängliche Gefangene unserer Kindheit. »Das Unbewusste (bildet) sich immer neu; es gleicht einem Kontinent, der in ständiger Veränderung begriffen ist« [63] , darin stimme ich mit Mario Erdheim überein. Die Erziehung der Frau zur Fähigkeit, Freude und Lust auch an gesellschaftlichem Einfluss zu entwickeln, ihre Weigerung, die jahrhundertealte Opferrolle zu übernehmen, kann den Umgang der Geschlechter jedoch um vieles aufrichtiger gestalten.
    Wenn also beide Eltern gemeinsam die Fürsorge für ihre Kinder übernehmen, verliert die Mutter die absolute Macht, die sie natürlich nur in den Augen des Kindes besitzt und die ihr so viel Hass und falsche Idealisierung einbringt. Der Vater rückt den Kindern näher, die Abhängigkeit von der Mutter wird halbiert und damit auch der aus zu großer Abhängigkeit und entsprechender Enttäuschung stammende Hass ihr gegenüber, die unterdrückte Wut des nie voll befriedigten Kindes.
    Tatsache bleibt, dass eine Frau, die Einfluss darauf zu gewinnen versucht, dass verhärtete Gesellschaftsstrukturen aufbrechen, damit rechnen muss, auch von der Frauenbewegung abgelehnt zu werden. Sie identifiziere sich mit männlichen Verhaltensweisen und erweise damit den Frauen keinen Dienst, so heißt es oft. Gesellt sich zu dieser Ablehnung noch eine falsche, oft von Neid diktierte Gleichheitsideologie hinzu, aufgrund deren eine Frau als unsolidarisch etikettiert wird, wenn sie auf diesem oder jenen Gebiet überdurchschnittliche Fähigkeiten oder ein besonderes Durchsetzungsvermögen entwickelt, werden Frauen auch durch ihresgleichen dazu gezwungen, ihre Fähigkeiten und ihren Verstand zu unterdrücken und ihre Aggressionen womöglich nur untereinander auszuleben.
    Lernen mit Hilfe von Identifikationen, d.h. mit Hilfe von Menschen, die man achtet und die neues Wissen und neue Verhaltensweisen anbieten, prägt sich auf besonders lebendige Weise ein. Neid verhindert diese Art des Lernens. Dabei ist klar, dass man auch mit zunehmendem Alter auf das lustvolle Lernen durch Vorbilder nie ganz, aber doch zunehmend verzichten kann. Erwachsen-Werden, was immer das heißt, ist nicht selten damit verbunden, selber zum »Vorbild« zu werden oder gar werden zu wollen. Das wiederum erregt den Neid und die Rivalität anderer und fördert die narzisstische Rigidität der nach Vorbildhaftigkeit trachtenden Personen. Damit ist eine Art von Machtausübung und Machtlust verbunden, die deswegen so ungute Folgen hat, weil sie dem eigenen Narzissmus, der eigenen Eitelkeit dient und mehr oder weniger unbewusst oder auch bewusstlos ausgeübt wird.
    Diesem Bedürfnis nach Vorbildhaftigkeit verfallen in unserer Gesellschaft Männer eher als Frauen. Indem sie es genießen, sich auf einen Sockel stellen zu lassen, verkümmern solche Fähigkeiten wie Humor und Selbstkritik. Geistig und psychisch beweglich bleiben doch nur Menschen, die sich die Lust am Lernen und an neuen Erkenntnissen, auch über sich selber, lebenslang zu erhalten vermögen.
    Aber immer wieder müssen wir uns die Frage stellen, was das eigentlich heißt, »weiblich« oder »männlich« zu sein. Warum eigentlich kann es nicht Verhaltensweisen geben, die bisher Männern zugesprochen und nur ihnen erlaubt waren, die sich – von Frauen übernommen – auch günstig auf deren Kreativität auswirken können? Es ist klar, dasselbe muss umgekehrt auch für Männer gelten. Die Vielfalt menschlicher Verhaltensweisen sollte nicht unterdrückt, sondern wahrgenommen und gefördert werden.
    Dass Frauen auch männliche Eigenschaften übernehmen könnten, ohne deshalb ihre »Weiblichkeit« zu verlieren, ist in letzter Zeit häufig diskutiert worden. Die männlich-weibliche Mischung, die Androgynie, ist – so steht es im Brockhaus – eine Scheinzwittrigkeit des genotypischen Mannes, bei dem typisch weibliche Geschlechtsmerkmale auftreten. Dem entspricht bei der Frau Gynandrie, d.h., sie ist genotypisch weiblich, weist aber männliche Geschlechtsmerkmale auf.
    Im Mythos vom androgynen
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