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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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späteren Jahren ihn sogar hochgeachtet. Sie waren stolz auf ihn. Ihr Bruder Tom kaufte alle Zeitungen und legte ein Album mit den Zeitungsausschnitten über William an. »Sogar in der Zeitung von Philadelphia steht etwas über ihn«, berichtete er stolz. Er las vor: »William Barton galt einst als einer der vielversprechendsten amerikanischen Maler.«
    In den New Yorker Zeitungen stand nichts. Das konnte man auch kaum erwarten. Aber jede Zeitung in der Grafschaft brachte einen langen Nachruf. Ruth fand Zeit, alle Nekrologe bis zum letzten Absatz zu lesen. »Seine Witwe ist zurückgeblieben.« Das war sie. Sie war Williams Witwe.
    Diese Würde verlieh ihr die Kraft, die Stunden zu durchleben, bis William am Morgen des dritten Tages aus dem Hause getragen wurde, in das er nun nie mehr zurückkehren sollte. Sie folgte ihm hinaus; Tom fuhr sie langsam in seinem glänzenden neuen Wagen. Hinter ihr fuhr die lange Reihe der Wagen, die sich alle über die Landstraße nach dem Friedhof bewegten, zu dem William nie hatte gehen wollen. Jetzt aber kam er hierher, um endlich in dem Familiengrab zu ruhen, in dem ihr Vater und die Vorväter ihres Vaters beerdigt waren. Und hier würde er liegen, und sie würde neben ihm liegen, bis in alle Ewigkeit.
    Das Haus war sehr still. Sie hatte darauf bestanden, daß alle heimgehen sollten. Die Töchter waren leicht zu überreden gewesen. Nach dem großen Begräbnis, als alle Verwandten sich entfernt hatten und alles aufgeräumt war, hatte sie zu ihnen gesagt: »Jetzt geht ihr beide auch heim. Die Kinder brauchen euch. Außerdem könnt ihr hier gar nichts mehr tun. Wenn ich jemanden brauche, werde ich Tom dabehalten.«
    »Natürlich«, stimmte Tom zu.
    Daraufhin waren Mary und Jill gegangen. Onkel Tom, so trösteten sie sich, konnte sehr gut bleiben. Er hatte genug Leute, die sich um die Garage kümmerten.
    Aber auch Tom ließ sich leicht überreden. Ruth sagte einfach: »Ich möchte allein sein, Tom.«
    »Du wirst dich vereinsamt fühlen«, wandte er ein.
    »Nein«, entgegnete sie. »Eine Frau, die so lange verheiratet war wie ich, vereinsamt niemals. Das Ende ihres Lebens führt wieder zum Anfang zurück.«
    Aber er hatte Gewissensbisse, und sie mußte ihn überzeugen, wie unnötig das war, bis er schließlich Mantel und Hut nahm. Sie begleitete ihn sogar zu seinem Wagen. Aber als er die Hand schon am Steuer hatte, zauderte er nochmals.
    »Fehlt dir auch wirklich nichts, Ruth?«
    »Bestimmt nicht«, erwiderte sie. Ach, geh doch, geh doch, schrie ihr Herz, das sich danach sehnte, frei zu sein, um trauern zu können.
    Doch er, ein gutmütiger alter Herr, war immer noch unschlüssig und suchte nach einem letzten Trostwort für seine Schwester. Es sei so schwer für sie, hatten alle Verwandten gesagt, als sie sich nicht im Zimmer befand, weil William sie im Schlafe verlassen habe, ohne von ihr Abschied zu nehmen. Auf den letzten Abschied legten sie großes Gewicht, und sie hatten ernst die letzten Abschiedsworte aufgezählt, die von anderen Verstorbenen geäußert worden waren.
    Tom suchte in seinem Gedächtnis und fand einige Worte, an die er sich erinnerte, weil er sie damals, als William sie aussprach, nicht verstanden hatte. William hatte immer merkwürdig geredet. Auch jetzt verstand er den Sinn nicht, aber vielleicht begriff Ruth, was William gemeint hatte.
    »Ruth«, begann er, »das letztemal, als ich mit William sprach, sagte er etwas über dich, das ich dir noch nie erzählt habe.«
    »Was denn?« rief sie. »Ach, Tom, was?«
    »Er sagte, er wüßte nicht, was er ohne dich anfangen würde. Erinnerst du dich an den Tag im vorigen Herbst, als ich mit dem Auto herkam, um mit ihm eine Bücherkiste von der Bahn abzuholen?«
    Sie nickte. William hatte sich von dem Geld, das er durch den Verkauf seiner Bilder einnahm, immer Bücher gekauft. Sie hatte sich oft genug darüber geärgert, aber jetzt war sie froh, daß er getan hatte, was ihm beliebte – obwohl sie nicht wußte, was sie nun mit all den Büchern machen sollte.
    »Du brachtest eine Decke heraus, um ihm die Beine einzuwickeln, weißt du noch?«
    Sie nickte abermals.
    »Nun, nachdem du wieder ins Haus gegangen warst, sagte er, du wärst sein tägliches Brot oder etwas Ähnliches.«
    »Wirklich, Tom?«
    Er beobachtete ihre Miene, um zu sehen, ob sie getröstet wäre. Und er sah, daß sie getröstet war. Sie verstand also, was der alte Mann gemeint hatte.
    »Ich dachte, das würde dir vielleicht Freude machen«, fügte er,

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