Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
Vom Netzwerk:
Leute werden gleich kommen«, stimmte Mary zu.
    Der junge Henry kam herein, Bleistift und Papier in der Hand.
    »Großmutter, es ist ein Berichterstatter von der Landzeitung da. Er möchte einige Auskünfte über Großvater haben. Der Nachruf ist schon verfaßt, aber man ist sich über Großvaters Herkunft nicht ganz im klaren. War sein Vater nicht der bekannte Harold Barton von der großen Eisenbahngesellschaft?«
    »Ja, das stimmt«, gab Ruth Bescheid. »Aber sag dem Mann, er soll warten. Ich will ihm selber alles mitteilen. Der Nachruf darf keinen Fehler enthalten.«
    Sie eilte hinauf, wusch sich, zog ihr bestes Schwarzes an und begab sich dann in den Salon, wo der junge Mann wartete. Auch Jill war anwesend. Noch nie hatte sie ihre Mutter so schön gesehen, dünkte es sie. Ruth betrat das Zimmer mit schlichter Würde.
    Der junge Mann erhob sich. »Sind Sie Frau William Barton?« fragte er.
    »Ja«, antwortete Ruth. O ja, das war sie. Sie würde immerdar Frau William Barton sein.
    Sie durchlebte die drei Tage wie einen erhabenen Traum. Fortwährend läutete die Türglocke, und Ruth ging jedesmal selber aufmachen. Ihre Kinder ließen sie gewähren, auch die Nachbarn, die gekommen waren, um ihr zu helfen, als sie sahen, daß es für sie einen Trost bedeutete.
    »Frau William Barton?«
    »Ja, das bin ich«, sagte sie stolz.
    Es wurde ein Kranz aus weißen Blumen abgegeben oder ein Telegramm; eine kleine Gruppe Schulkinder stand da oder ein stammelnder, lahmer Mann.
    Zu allen sagte sie. »Möchten Sie ihn noch einmal sehn?«
    Sie führte sie in den Salon. Der Mitteltisch war fortgenommen worden, und William lag auf einer Bahre. Rings um ihn hatte Ruth ihre schönsten Topfpflanzen aufgestellt und all die Blumen, die gekommen waren. Manchmal sprachen die Besucher, die den Toten betrachteten, gar nicht, aber öfters redeten sie.
    »Er sieht wunderschön aus, nicht?«
    »Er sieht aus, wie er war«, antwortete sie stets.
    Sie war jetzt ruhiger, weil es so viel zu tun gab. Es konnte geschehen, daß sie, wenn sie mit Mary die Frage erörterte, wie die Begräbnisteilnehmer nach der Beerdigung beköstigt werden sollten, oder den jungen Henry anwies, sich der Verwandten, die das Haus füllten, anzunehmen, oder ein Telegramm las, das Jill ihr brachte, völlig vergaß, warum all dies vor sich ging. Es war beinahe wie bei jeglicher großen Familienzusammenkunft – wirklich beinahe wie bei der Feier der goldenen Hochzeit, über die sie und William so oft gestritten hatten. Wenn sie allerdings nachgedacht hätte … doch es blieb ihr keine Zeit zum Nachdenken. Alle Verwandten waren heute da. William hatte keine Angehörigen mehr außer einer Schwester, und sie kam nicht. Jill sagte, Louise brächte es nicht über sich, zu kommen, weil sie niemals an Begräbnissen teilnahm.
    »Sonderbar, daß sie nicht zur Beerdigung ihres einzigen Bruders kommen kann«, erwiderte Ruth kalt.
    »Sie tut leider nie etwas, das sie nicht tun mag«, sagte Jill.
    Es würde ihr wohl kaum gelingen, der Mutter Tante Louises Wesen zu erklären. Es gab keine Verständigungsmöglichkeit zwischen den beiden. Alte Leute waren so festgefahren, dachte sie traurig. Aus der einen wirklich bestehenden Welt machten sie lauter verschiedene Welten. Nur ihr Vater hatte jeder Welt angehört. Wie sehr er ihr fehlte! Niemand, niemand konnte ihn ersetzen. Was hätte sie bloß angefangen, wenn er nicht erkannt hätte, wie einsam sie war, und ihr nicht Germaine und Angele geschickt hätte? Sie befanden sich drüben in Marys Haus, wo sie gut aufgehoben waren, wie Jill wußte, und doch mußte sie immerzu an ihre beiden Kinder denken, sah ihre Gesichtchen vor sich, die nun allmählich den angstvollen Ausdruck verloren, und ihre dünnen Händchen. Ob Marys kräftige, einfache Kinder wohl lieb mit ihnen waren? Sie wollte doch gleich mal schnell hinüberlaufen und nach ihnen schauen. Sie hatte beschlossen, daß sie auch bei der Beerdigung keine schwarzen Kleider tragen sollten. Es hatte in ihrem Leben schon so viel Schwarz gegeben. Statt dessen hatte sie weiße Kleidchen gewählt.
    »Dann mag seine Schwester nur fortbleiben«, sagte Ruth. »Seine Familie hat ihm zu Lebzeiten nie viel bedeutet. Trotzdem kann ich es nicht verstehen …«
    Aufgebracht ging sie hinaus. Was hätte William ohne sie gemacht, lebendig oder tot? Sie hatte genug Verwandte für sie beide. Sie hielten zusammen, wie es sich für Familienangehörige schickte, und sie hatten William von jeher gern gemocht, in

Weitere Kostenlose Bücher