Eine Liebesehe
schöner, wie man ihm versicherte. Elise hatte es ihm selber in der halb leichtsinnigen Art und Weise, die zum Teil ihren glimmenden Reiz ausmachte, gesagt.
»Du bist allzu schön geworden«, hatte sie bei Louises erstem Essen gesagt, als sie sich zu seiner Rechten fand. »Die Landluft bekommt dir gut.«
Darüber hatte er einen Augenblick nachgedacht. Dann antwortete er ungerührt: »Wir wollen sehen, wie mir die New Yorker Luft bekommt.« Und mit einem Lächeln nahm er den raschen Blick hin, den sie ihm aus ihren Bernsteinaugen zuwarf.
Als sie hierauf wortlos den Kopf abwandte, nahm er auch dies hin und entdeckte zu seiner Linken ein anderes hübsches Mädchen, ein sehr hübsches Mädchen, wie er achtlos feststellte. Wirklich, New York war voll von hübschen Mädchen. In seinem ersten Erfolg sah er sie wie Bienenschwärme rings um sich und bemerkte sie kaum mehr.
Denn er wollte sich ernsthaft seiner Arbeit widmen. Seine Ausstellung war sehr gelobt worden. Fast ein Dutzend Bilder hatte er verkauft. Zwanzigmal hätte er Ruths Bild verkaufen können, doch jedesmal hatte er geantwortet, es sei unverkäuflich. Aber er erkannte, daß er es so bald wie möglich verkaufen sollte. Solange er es besaß, konnte er Ruth nicht vergessen, und er hatte jetzt beschlossen, sie zu vergessen. Das Bild hing gerade gegenüber dem Eingang zur Ausstellung, und er ging dann und wann allein hin, um ihren blauen Augen, die ihn anschauten, zu begegnen. Manchmal stand er vor dem Gemälde, um die Güte seiner Arbeit zu prüfen – wenigstens sagte er sich das. Aber wenn er das tat, schien er immer wieder ihre Gegenwart zu spüren, schien ihre warme, feste Gesundheit zu fühlen, die in ihrer Schlichtheit alles, was sich ihr näherte, reinigte. Jedesmal lief er vor ihr davon. ›Ich muß das Bild verkaufen‹, sagte er zu sich. Denn er wußte, daß sie niemals hierher gehören konnte. Und hier in New York, das begann er zu glauben, wollte er am liebsten leben.
Aber als die Ausstellung weiterdauerte, war er weniger denn je imstande, das Bild zu verkaufen. Schließlich entfernte er es in einem jähen Anfall brennender Eifersucht. Zu viele Männer starrten es an. Der Direktor der Kunstgalerie widersprach.
»Dieses Bild ist in jeder Kritik gelobt worden. Die Leute kommen absichtlich her, um es zu sehen.«
»Deshalb nehme ich es ja fort«, entgegnete William.
»Sie sind noch verrückter als die meisten Maler«, erklärte der Direktor.
Aber William hatte nicht auf ihn gehört. Jetzt hing das Bild, sicher vor den Augen anderer Männer, in seinem Zimmer. Der ausschlaggebende Grund, warum er es aus der Kunstgalerie entfernt hatte, war der gewesen, daß er zwei seiner eigenen Freunde dabei ertappte, wie sie es betrachteten.
»Ist das Modell eine Freundin von dir, William?« fragte ihn der eine.
Er gab kalt zurück: »Es ist ein Bauernmädchen, das ich im Sommer auf einem Malausflug zufällig getroffen habe, und ich malte es dann in seiner Küche.«
»Gib uns die Adresse, alter Freund, ja?« sagte der andere neckend. »Vielleicht kommen wir auch einmal in die Gegend.«
Es war ein durchaus müßiges Gespräch, und doch hatte er es törichterweise ernst genommen und war sogleich zornig geworden.
»Das wäre ungehörig«, sagte er, und am selben Tage hatte er das Bild fortgenommen.
Jetzt fielen seine Augen morgens beim Erwachen als erstes auf Ruth, die ihn anblickte, und sie war das letzte, was er abends, wenn er die Nachttischlampe löschte, vor dem Einschlafen sah. Er genoß die Vielfalt seines Alltagslebens, und doch hatte er das Gefühl, als kehrte er abends zu ihr heim.
Eines Nachts, als er aus irgendeinem Grunde keinen Schlaf fand, stand er mit dem Entschluß auf, ihr zu schreiben, weil er meinte, er könnte sich dadurch vielleicht Erleichterung verschaffen. Er saß an seinem Schreibtisch und warf einen warmen, geschwind geschriebenen Brief hin. Er wollte sie wissen lassen, daß er ihr Bild behalten habe. Es hänge in seinem Zimmer, und er bringe es nicht fertig, sich davon zu trennen. Eines Tages würde er sie besuchen, nur um sich zu vergewissern, daß sie auch in Fleisch und Blut vorhanden sei.
Er gab den Brief auf, ohne ihn noch einmal durchzulesen, aus Furcht, daß er ihm bei Tage allzu ungestüm erscheinen würde, und er wartete auf ihre Antwort, voller Neugier, was für einen Brief sie ihm wohl schreiben würde; er stellte sich ihre kindliche Schreibweise vor und die Sehnsucht, die zu verbergen sie viel zu unschuldig war. Aber
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