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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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nahm es ihn wunder, ob es überhaupt Kummer war, so ruhig klang ihre Stimme, als sie sprach. Er brachte an diesem Abend die Rede auf den Tod, als sie sich zum Schlafen niedergelegt hatten, um zu erfahren, wie schwer sein Gewicht auf ihr lastete.
    »Glaubst du, daß deine Mutter sterben wird, Liebste?«
    »Ich weiß es – jeden Tag, jede Stunde kann es geschehen. Der Arzt hat es mir vorige Woche mitgeteilt.«
    »Geliebtes, warum hast du mir das nicht gesagt?«
    Er wartete, daß ihre Stimme ihm in der Dunkelheit antworten würde. Als die Stimme erklang, war sie voll ehrlicher Verwunderung.
    »Oh, ich weiß nicht, William.«
    »Ich möchte nicht, daß du deine Kümmernisse für dich behältst, Liebes.«
    Darüber dachte sie nach. »Es ist sonderbar, aber es erscheint mir kaum traurig, daß die arme Mama sterben soll«, antwortete sie sanft. »Natürlich wünschte ich, es müßte nicht sein. Aber wenn ich sehe, wie sie jetzt ist – es kommt mir vor, als wäre der Tod gerade das richtige für sie. Wäre sie noch jung, so würde es mich sehr, sehr traurig machen. Wenn etwas sein soll, dann ist es wohl kein Schmerz. Es ist nur natürlich.«
    Sie sprach aus der tiefen Harmonie ihres eigenen Wesens mit allem Leben auf Erden, und er konnte nichts sagen. Er schmiegte sich an sie und atmete ihre Gesundheit und ihre Gelassenheit ein, und er fühlte, wie er wieder ruhig und einfach gemacht wurde. Dies war ihr Geheimnis, daß in ihrer Gegenwart alles, was in seiner verwickelten Natur störend und verwirrend war, sich zu Wesentlichem löste. Alles andere zählte nicht.
    Daher machte sich am Todestag ihrer Mutter kaum ein Schatten über dem ruhigen Hause bemerkbar. Das Ende kam, das erwartete, vorausgesagte Ende. Ruth hatte dafür alles bereit. Es schien fast, daß sie sogar die genaue Stunde wußte. Sie trat früh am Abend, als sie gerade das Nachtessen beendet hatten, aus dem Zimmer ihrer Mutter und sagte zum Vater: »Papa, Mama ist verschieden.«
    Harnsbarger legte die Bauernzeitung hin und ging sogleich in das Zimmer seiner Frau. William stand auf und streckte die Arme aus, und Ruth kam in seine offenen Arme. Bei dieser Berührung fühlte er, wie ihr Körper sich einen Augenblick lang gegen Tränen verhärtete, und er sagte sehr milde: »Weine dich nur aus, Liebes.«
    Da weinte sie, aber nur ganz kurz. Dann wischte sie sich die Tränen fort.
    »Ich weine, glaube ich, um mich, nicht um sie. Es ging ihr gut, sie schloß bloß die Augen und seufzte und entschlief. Aber jetzt ist mir klar, daß ich nie mehr mit ihr sprechen werde.«
    Sehr bald war sie wieder sie selbst, und er sah sie nicht mehr weinen, nein, nicht einmal in der kleinen Kirche, wo eine Trauerfeier stattfand, die ihn höchst unkultiviert anmutete, und wo alle einer Rede auf die tote Frau lauschten, die in dem offenen Sarge neben der Kanzel lag.
    »Unsere Nachbarin war eine Frau von wenigen Worten, aber vielen guten Taten«, rief der kleine Pfarrer. Sein rundes Gesicht und sein runder Bauch waren nicht so sehr ein Beweis für Gefräßigkeit als vielmehr für die Tatsache, daß ihm sein Gehalt zum Teil in Lebensmitteln ausbezahlt wurde, und er mußte aufessen, was ihm gegeben wurde, Brote und Würste, Pasteten und Kuchen, Schinken und Kartoffeln. Frau Harnsbargers Hefegebäck würde ihm fehlen. Zweimal im Monat hatte sie ihm Hefegebäck gebracht und am Aschermittwoch eine doppelte Portion. »Sie liegt hier und hat die ewige Ruhe verdient«, sagte er feierlich am Ende einer Stunde.
    Dann gingen sie in den klaren, kalten Nachmittag hinaus und standen um das Grab. Die Sonne schien fröhlich darauf und zeichnete die genaue Aufteilung des Bodens ab. Die dunkle, fruchtbare oberste Schicht reichte sechzig Zentimeter in die Tiefe. Darunter kam roter Lehm und darunter der Schiefer, auf dem jedes Haus in der Gegend ruhte. Der Boden des Grabes war Schiefer, aber Grundwasser sickerte hindurch, und damit der Sarg nicht im Wasser stand, hatte der alte Totengräber zwei rote Zedernstämme zurechtgesägt und sie seitlich ins Grab eingepaßt.
    Sie standen um das Grab und sangen ein Kirchenlied und hörten der vorlesenden und betenden Stimme des Geistlichen zu. Er war kahlköpfig bis auf eine lange hellbraune Haartolle, und der Wind hob diese Tolle in die Höhe, wehte sie ihm in die Augen, bis der Pfarrer in seiner Tasche kramte und ein Käppchen hervorholte, das er aufsetzte, ohne sein Gebet zu unterbrechen.
    William war unfähig, das Haupt zu beugen, er beobachtete dies, und dann

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