Eine Liebesehe
Haus ihn absichtlich hergelockt und Ruth, nachdem er sie fortgebracht, wieder zurückgezerrt hätte und ihn durch sie, bis es bekam, was es haben wollte: eine neue Generation.
»Sechs Generationen«, rühmte der alte Harnsbarger. »Es wird auch ein Junge sein. Das erste Kind ist bei uns immer ein Junge.«
Es war ein Junge. William starrte auf ein rundes Gesichtchen nieder und versuchte sich klarzumachen, daß dies sein Sohn war. Aber er konnte in diesem Gesicht nur die Ähnlichkeit mit all den Generationen erkennen, die in dem Hause gelebt hatten.
Ruth ruhte heiter und frohlockend in den Kissen. Sie hatte recht gehabt, und William hatte sich geirrt. William hatte sie gedrängt, nach Philadelphia in eine Klinik zu gehen. Sie aber hatte gesagt, sie müsse und werde wie ihre Mutter daheim bleiben, und die alte Frau Laubscher würde schon für sie sorgen.
»Aber wenn etwas schiefgeht?« hatte William eingewandt.
»Ich weiß genau, daß das nicht der Fall sein wird«, hatte sie entgegnet.
Und es war gutgegangen. Die alte Frau Laubscher hatte alles richtig gemacht, hatte sogar das Beil unter der Schürze hereingeschmuggelt, so daß William es nicht sah. Sie durchschnitt die Nabelschnur mit dem Beil, damit das Kind ein tüchtiger Holzhacker werden würde. Und Ruth hatte auf alles gehört, was die Hebamme ihr von ihrer eigenen Schwangerschaft erzählte. Sie hatte sich sogar unter die Wäscheleine gestellt, damit die Nabelschnur sich nicht um den Hals des Kindes wickelte. Von Anfang an ging alles richtig. Sie war überzeugt, zu wissen, wo dieser Anfang lag: an einem Sonntag, als sie den ganzen Tag hindurch überaus glücklich gewesen war. Das Brot war am Samstag wunderbar geraten. Abends hatte sie sich frohgemut zu Bett gelegt.
»Dieses Kind ist bestimmt an einem Sonntag gezeugt worden«, sagte Frau Laubscher, als sie es betrachtete. »Es ist so kräftig.«
»Ja, das stimmt«, antwortete Ruth. »Und ich erinnere mich, daß ich lachte.«
»Darum ist der Junge schon so schön«, versicherte Frau Laubscher. Sie hatte ihn in ein Tuch gewickelt und hielt das rundköpfige Bürschchen in die Höhe. »Jetzt will ich seine Hände und Füße in Quellwasser tauchen«, sagte die Alte.
Sie hielt die geballten Händchen, eins nach dem andern, in eine Schüssel mit Wasser, die auf dem Tische stand, und dann tauchte sie die kleinen Füße hinein. »Nun wird er nie Frostbeulen bekommen«, erklärte sie.
Hierauf wusch sie das Kind und räumte das Zimmer auf, und als William hereinkam, eilte sie mit dem Mutterkuchen, den sie in einen Lumpen gehüllt hatte, hinaus. Im Garten vergrub sie ihn unter einem Rosenstrauch, damit Ruths Schönheit nicht verging.
›Ein liebes, hübsches Geschöpf‹, dachte sie und glättete die Erde über den Wurzeln. Sie seufzte, denn sie war sehr dick, und dann stand sie auf und klopfte sich die Hände ab. Sie wollte dem neugebackenen Vater ein paar Minuten vergönnen, daß er seinen Sohn betrachten konnte, und dann wollte sie den Kleinen selber auf den Speicher hinauftragen, um sicherzugehen, daß er nach oben gelange, ehe der Abstieg kam. »Die Leute vergessen das oft«, mumelte sie vor sich hin, »und nachher wundern sie sich, wieso sie Pech haben.«
Im Schlafzimmer stand William und betrachtete seinen Sohn. Er erkannte in diesem Augenblick, daß er kein guter Vater sein würde. Er empfand in diesem kleinen Wesen nichts Verwandtschaftliches.
»Ist es nicht ziemlich dick?« fragte er.
Ruth lachte. »Es ist ein schönes, dickes Kind«, sagte sie freudig.
Er sah sie an anstatt des Säuglings. Sie war schöner denn je.
»Ich glaube, dir hat das einfach Vergnügen gemacht«, sagte er.
»O ja«, antwortete sie.
»Ich dachte, Frauen leiden angeblich dabei«, knurrte er mit spöttischem Vorwurf, und sie lachte wieder, so daß er sich gewaltsam davon abhalten mußte, sie in die Arme zu schließen.
»Wir wollen kein Kind mehr haben«, sagte er eifersüchtig.
»Was fange ich mit nur einem an?« gab sie zurück. »Es muß doch einen Spielkameraden haben.«
»Warum?« fragte er eigensinnig.
»Oh, du bist dumm«, erwiderte sie lachend. »Wie wollen wir ihn nennen, William?«
»Harold«, sagte er, »nach meinem Vater.«
Ruth dachte über den Namen nach. »Hier hat es noch nie einen Harold gegeben«, äußerte sie dann.
»Dann wird es jetzt einen geben«, sagte William.
Danach schenkte sie ihm noch zwei Kinder, beides Mädchen, eins nach dem andern, und dann erklärte sie, es genüge. Er sah sie durch
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