Eine Liebesehe
weil sie ihm gezeigt hatte, daß sie unbarmherzig sein konnte.
»Wenn du mich verläßt, wirst du nie mehr zu mir zurückkehren«, sagte sie.
»Doch«, entgegnete er, »natürlich komme ich zurück.«
»Nein, ich weiß es genau.«
Sie hatte ihren pennsylvanischen Tonfall beinahe verloren, doch wenn sie aufgewühlt war, kam er wieder zum Vorschein. William war leicht gerührt.
»Sei kein Dummerle, Liebste«, sagte er sanft.
»Ich tu' alles für dich«, sagte sie. »Etwas andres kümmert mich kaum. Du hast zwar alles für mich aufgegeben, William, aber ich habe auch alles für dich aufgegeben.«
»Ich bitte dich, Ruth, du machst aus nichts eine große Sache. Schließlich reisen die meisten Maler überallhin, und ihre Frauen sind dann unglücklich. Ich bin sehr treu gewesen, finde ich.« Er versuchte spielerisch zu sein.
Er spürte, wie sie sonderbar zitterte, diese robuste, starke Frau mittleren Alters, die sein Weib war.
»Aber, mein Herz!« rief er, drehte sich um und schloß sie in die Arme, von einer Zärtlichkeit gepackt, die nur deshalb etwas Ungewöhnliches hatte, weil sie beschützend war. Nie zuvor war ihm Ruth schutzbedürftig erschienen. »Aber, mein Kleines …«, murmelte er. So hatte er sie bisher noch nie gekannt.
Und da fing sie plötzlich an zu weinen und sprach sich alles von der Seele, wovon er nie eine Ahnung gehabt hatte.
»Oh, ich weiß, meinetwegen willst du fortgehn! Ich bin nicht gut genug für dich. Deshalb wünscht dein Vater, daß du fortgehst. Als ich dich heiratete, da wußte ich schon, daß ich das nicht durfte. Ich fürchtete immer, daß ich es nicht dürfte. Ich hätte einen meinesgleichen heiraten sollen, dann hätte ich helfen können und nichts zerstört. Ich habe mich damit verbraucht, es wettzumachen, habe versucht, alles so zu tun, wie es für dich nötig war, und habe nicht im geringsten danach gefragt, was für mich richtig gewesen wäre. Wenn du mich verläßt, ist alles sinnlos!«
»Leise!« flüsterte er. »Leise, Ruth! Die Kinder hören dich.«
»Ach, das ist mir ganz gleich!« rief sie.
Er ließ sie weinen und hielt sie im Arm, doch war er stark genug, ihr nicht zu versprechen, daß er bleiben würde. Er war zutiefst erschüttert, aber er zeigte ihr nicht, wie sehr. Er wußte ja selber nicht, wie groß seine Erschütterung war. Denn sein Vater hatte ihn ebenfalls erschüttert, und wer ihn mehr ergriffen hatte, sein Vater oder Ruth, das wußte er noch nicht. Morgen, wenn er dann allein den Hügel hinaufging und nachdachte, würde er Klarheit erlangen.
Und als sie sich ausgeweint und aufsein Versprechen, nicht fortzugehen, vergebens gewartet hatte, wurde sie von panischer Angst erfaßt. Und aus ihrer Angst heraus verlangte es sie leidenschaftlich danach, ihn auf die tiefste Weise, die sie kannte, zu besitzen.
»Oh, liebe mich«, hauchte sie, »liebe mich … liebe mich …«
Aber sogar in der Liebe versprach er es ihr nicht. Er hielt halsstarrig an seinem Entschluß fest, bis zum Morgen zu warten und vorher nichts zu entscheiden. Auch als er sie ansah, wie sie jetzt zärtlich und schön war, konnte er nicht vergessen, daß sie die Peitsche auf Hal hatte niedersausen lassen. In diesem einen Augenblick war sie ihm fremd und verhaßt geworden, und ein Augenblick hatte ihm genügt, um sich eine Trennung von ihr vorstellen zu können.
Ruth lag noch lange wach, indes er schlief. Er war verändert, und sie ängstigte sich. Sie ängstigte sich immer, wenn seine Stimmung sich von dem, was sie kannte, im geringsten unterschied. Seinen Geist kannte sie nicht, und sie war außerstande, ihn zu ergründen, aber seinen Körper kannte sie ganz und gar, und an seinem Köper ermaß sie seinem Seelenzustand. Wenn er aß und trank und schlief, wenn er sie stürmisch begehrte, dann war sie zufrieden. Seine Malerei konnte sie insgeheim nicht als Arbeit betrachten. Er verkaufte im Jahr einige Bilder, doch das reichte nicht weiter als für seinen eigenen Bedarf. Sie verdiente den Lebensunterhalt durch die Farm; das erfüllte sie mit Stolz, zumal sie wußte, daß viele Leute sie bedauerten, weil ihr Mann nicht fähig war, für sie zu sorgen. Diesen Leuten gegenüber äußerte sie das, was ihre Kinder nicht aussprechen durften.
»Williams Vater ist ein sehr reicher Mann. William wird nach dem Tode des Alten reich sein.«
So milderte sie ihr Mitleid und flößte ihnen außerdem eine merkwürdige Achtung vor dem ihnen unverständlichen Künstler ein. Sie starrten seine Bilder an
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