Eine Liebesehe
Kopf zu.
»Geh hinaus, William«, sagte sie.
Er aber war angewidert und schrie, alles andere vergessend: »Nein, ich gehe nicht, Ruth. Du, so behandelt man keinen Jungen!«
Er sah, wie ihr Gesicht grimmiger wurde, als er sich jemals hätte vorstellen können, und zum erstenmal dünkte es ihn häßlich.
»Ich muß tun, was ich für richtig halte, genau wie ich es immer gemacht habe«, entgegnete sie ruhig.
Ehe er etwas sagen oder ihr Einhalt gebieten konnte, trat sie vor, und mit schneller Bewegung versetzte sie Hal drei feste, klatschende Hiebe über den Rücken. Hal zuckte zusammen und ließ den Kopf hängen.
»Ruth!« schrie William auf. Er sprang auf sie zu und entriß ihr die Peitsche.
»Laß sie in Ruhe«, bemerkte Hal unvermittelt. Er weinte nicht, aber seine Augen hatten sich mit Tränen des Schmerzes gefüllt. »Sie sagte, daß sie mich verhauen würde. Ich wußte, was mir bevorstand.«
»Ich kann es nicht ertragen«, erwiderte William kurz. Er warf die Peitsche auf den Boden. »Und ich begreife nicht, Hal, daß du es so hinnimmst.«
»Von einem andern würde ich es mir auch nicht gefallen lassen«, gab der Knabe zurück.
Auf seinem Hemd wurde ein dünner roter Streifen sichtbar.
»Zieh dein Hemd aus, Junge«, befahl Ruth. »Ich will nach deinem Rücken sehn.«
»Nein«, widersprach Hal, »es ist nichts.«
Trotzdem zog er sein Hemd aus, und Ruth holte eine Schüssel mit kaltem Wasser und einen weichen Lappen und tupfte den blauen, blutenden Striemen ab.
»Ich mußte tüchtig zuschlagen, Junge, sonst hätte es keinen Wert gehabt.«
»Stimmt«, antwortete Hal.
Es war, als hätten sie William vergessen, als hätte Ruths Handlungsweise den Knaben ihr näher gebracht. Er ließ sie die Wunde waschen, bis das Blut gestillt war, und dann schlüpfte er wieder in sein Hemd.
»Heute nacht muß ich auf dem Bauch schlafen, Mama«, sagte er mit einem schiefen Lächeln. »Du hast wahrhaftig ordentlich Kraft in deinem Arm.«
Er küßte sie, und plötzlich umarmte sie ihn liebevoll.
»Ich muß einen Mann aus dir machen«, erklärte sie.
»Klar«, antwortete Hal. »Gute Nacht, Papa.«
Er nickte William zu und verließ die Küche, und sie hörten ihn schwerfällig die Treppe hinaufsteigen.
William hob die Peitsche auf und reichte sie ihr. »Ich möchte das nie wieder erleben«, sagte er.
Sie nahm die Peitsche wortlos entgegen und legte sie auf einen Schrank. Dann traf sie die üblichen Vorbereitungen für die Nacht, und sie gingen zusammen hinauf, immer noch schweigend.
Er schaute ihr zu, während sie sich entkleidete und wusch und ihr baumwollenes Nachthemd anzog. Er war vor ihr im Bett und sah zu, wie sie ihre langen Haare löste und bürstete, ehe sie sie in einen Zopf flocht. Jede ihrer Bewegungen bezauberte ihn auch heute noch, nach all diesen Jahren und trotz des heutigen Vorfalls. Es lag nicht nur daran, daß er sie liebte. Sie konnte auf ihn auch abstoßend wirken. Er hatte sich das nie zuvor eingestanden, doch als sie an diesem Abend den Knaben schlug, erkannte er, daß sie in ihm Abscheu zu erwecken vermochte. Eine weniger robuste Frau wäre nicht imstande gewesen, die Peitsche dreimal so ruhig zu heben und sie so heftig niedersausen zu lassen, daß blutige Striemen entstanden. Nie wieder würde er ihr gegenüber das gleiche empfinden.
Und doch liebte er sie, weil alles, was sie tat, richtig war und ihrem Wesen entsprach und darum natürlich war. Er verglich sie mit der schlanken, dunkelhäutigen Frau, die er heute abend im Salon seiner Mutter getroffen hatte, und es wurde ihm klar, daß diese Frau neben Ruths starker Wirklichkeit zu nichts verblaßte. Wo Ruth war, da schuf sie Wirklichkeit. So erschien ihm der Abend, den er daheim verbracht hatte, leer und farblos. Dieser von der Petroleumlampe erhellte Raum, das große Bett, die altmodischen Möbel, die weißen, an den Fenstern flatternden Vorhänge waren der Mittelpunkt der Wirklichkeit. Sie beugte sich über die Lampe, um sie auszublasen, und er sah den vollen, weichen Umriß ihres Antlitzes plötzlich ausgewogen und wieder schön. Ihr Gesicht war jetzt ruhig, und er verglich es unwillkürlich mit dem Ausdruck, den es gezeigt hatte, als sie Hal schlug. Sie kann unglaublich hart sein, dachte er, sogar unbarmherzig. Dann ging das Licht aus. Sie legte sich zu Bett, und er fühlte die glatte Festigkeit ihrer Hüfte an seiner Seite. Sie schob den Arm unter seinen Kopf.
»Wars schön?« erkundigte sie sich, und ihre Stimme klang im Dunkel wie
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