Eine Liebesehe
und wunderten sich, warum er gerade einen bestimmten, vom Frühlingsregen aufgeweichten Feldweg auf der Leinwand verewigt hatte.
»Man sollte meinen, daß es schönere Dinge gibt«, murmelten sie.
Und auch Ruth empfand dieselbe Mischung von Achtung und Verachtung für seine Malerei. Immerhin wußte sie, daß er malen mußte, um glücklich zu sein. Ihr selber war es am wohlsten zumute, wenn er ein neues Bild anfing. Er war dann immer angeregt, glücklich und hoffnungsvoll. Er arbeitete in solchen Augenblicken angespannt, aber je mehr die Arbeit fortschritt, desto mehr ließ auch seine Hoffnung nach, und so fürchtete sie sich jedesmal vor der Vollendung eines Bildes. Am Schluß war er nie befriedigt, und wenn er unzufrieden war, wurde er ruhelos. Und alles, was sie sagte, half nichts.
»Ich finde, daß es ebenso gut wie deine andern ist«, hatte sie erst heute morgen gesagt. Sie selber vermochte kaum Unterschiede zwischen seinen Bildern zu erkennen.
»Oh, Ruth!« hatte er gestöhnt, und da merkte sie, daß sie wieder etwas Verkehrtes gesagt hatte. Es war so schwer, zu wissen, was für Äußerungen er von ihr erwartete.
Seine Unruhe konnte sie nur durch Liebe stillen. Manch einen Tag hatte sie in der Hoffnung auf die Nacht überstanden. Heute abend aber hatte die Liebe zum erstenmal nicht genügt. Sie spürte, daß er ihr immer noch fern war. Sogar im Schlaf hatte er sich jetzt von ihr abgewandt. Während sie dalag, überlegte sie trotz ihrer Angst auf ihre gerade, praktische Weise.
›Es sind heute zu viele Dinge zusammengekommen, die sich gegen ihn verschworen haben – er hat sein Bild fertig gemalt und seine Eltern besucht; dann kam er heim, und er begreift ja nie, was mit Hal los ist. Ich muß es morgen irgendwie wiedergutmachen.‹
Sie drehte sich behutsam um und legte den Arm über ihn. Der Mond war spät aufgegangen und schien nun ins Zimmer, sie konnte Williams Umrisse in dem fahlen Lichte erkennen. Zärtlich betrachtete sie ihn. Wie sie ihn liebte! Es spielte keine Rolle, daß er nicht für seine Familie zu sorgen vermochte und daß er auch bei der Erziehung der Kinder versagt hatte. Was den Hof betraf, so konnte sie sich immer bei Henry Fasthauser Rat holen. Er hatte die angrenzende Farm gekauft und war ein guter Nachbar, obwohl er ein armes, untüchtiges Mädchen geheiratet hatte, das nicht imstande war, das Haus sauberzuhalten.
»Wir beide hätten heiraten sollen.« Das pflegte er hin und wieder zu ihr zu sagen, wenn sie die Frage besprachen, wann ausgesät werden sollte oder wie man den vom Regen durchnäßten Boden pflügen könnte.
»Halt den Mund, Henry«, antwortete sie dann jedesmal.
»Es ist mir Ernst«, hatte er erst gestern gesagt. »Du hast einen untüchtigen Mann, und ich hab' eine untüchtige Frau.«
»Halt den Mund«, hatte sie abermals entgegnet.
Niemals hätte sie diesen großen, derben Burschen lieben können, nachdem sie William kennengelernt. Und keine Frau hätte William wie sie lieben können. Andre Frauen mußten ihn vor ihr geliebt haben, Frauen wie jene, denen sie vor langer Zeit in New York begegnet war. Steckte jetzt eine Frau hinter seinem Wunsch, fortzugehen? Das mußte der Fall sein, denn nur eine Frau konnte bewirken, daß sein Körper sich dem ihren gegenüber kalt verhielt. Sie hatte Ehefrauen miteinander sprechen hören. »Wenn er nicht wie sonst will, dann mach die Augen auf, und du wirst sehn, was los ist.«
Ihr Herz klopfte schmerzvoll vor eifersüchtiger Liebe. Oh, die andern waren in der Lage, die Augen aufzumachen und zu sehen, aber sie?
»Mein Geliebter«, flüsterte sie. Er fand Koseworte für sie, doch dies war alles, was sie sagen konnte. Wenn sie nur das eine Wort geäußert hatte, schwoll ihr Herz, und sie erstickte vor Liebe.
Sie wollte ihn nicht fortlassen.
Am nächsten Morgen, einem Sonntag, warteten sie am Frühstückstisch auf Hal. Die Mädchen trugen ihre frischen Musselinkleider für die Sonntagsschule, und Ruth hatte ihr hellbraunes Leinenkleid an, darüber eine Schürze, damit es sauber blieb. William ging nie in die Kirche. Er liebte es, am Sonntagvormittag allein im Hause zu sein. An diesem Morgen war er sofort hellwach gewesen und dachte an den vor ihm liegenden Entschluß, und er war dankbar, daß einige Stunden des Alleinseins vor ihm lagen. Heute vormittag wollte er sich entscheiden. Er erwog im stillen ruhig die Möglichkeit – und mit dem Steigen der Sonne festigte sich immer mehr der Entschluß in ihm –, den Rat seines
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