Eine Liebesehe
als die linke.
»Wenn nur genug übrigbleibt, daß ich Farmer sein kann«, sagte er lächelnd.
Dafür war genug von ihm übriggeblieben und noch mehr dazu, und bald erwartete Mary ihr zweites Kind. Ihr erster Junge war Henry getauft worden nach Joels Vater, und William betrachtete ihn manchmal mit stillem Spott. Henry Fasthauser, sein Enkel! Den alten Henry sah er selten, doch wenn sie zusammenkamen, zeigten beide gute Laune. Ruth hatte die Farm größtenteils Henry überlassen, der sie zusammen mit seiner eigenen besorgte und ihr Pacht zahlte.
»Das ist die beste Art, wie ich dir helfen kann«, hatte er zu ihr gesagt, als Joel einrückte.
»Das glaube ich gern«, hatte sie dankbar geantwortet.
Sie hatten einander angeschaut, jeder bereit, noch mehr zu sagen, aber sie äußerten nichts mehr. Was für einen Gegendienst konnte sie ihm leisten? Das hätte sie am liebsten gefragt. Aber es gab nichts, das sie hätte tun können, und deshalb hatte sie geschwiegen. Sie liebte William und würde ihn immer lieben – warum, wußte sie nicht. Er tat nichts für sie, das ein Entgelt für all ihre Arbeit gewesen wäre, außer daß er er selbst war und alles, was sie tat, lohnend erschien, weil sie es für ihn tat. Was sie von ihm bekam, das vermochte sie nicht in Worte zu fassen, aber es war etwas, über das kein Mann, den sie kannte, verfügte. Sie hatte über ihrem Stande geheiratet, doch hatte sie William glücklich gemacht.
Er schien in diesen Tagen noch glücklicher zu sein als sonst, dünkte es sie, in diesem zweiten Kriegsfrühling.
Es war anfangs Juni, und die Walderdbeeren trugen üppig. Sie hatte einen Kessel voll gepflückt, obwohl das eine mühsame Arbeit war, weil William die Marmelade liebte.
Am frühen Nachmittag saß sie auf der Schwelle des Hauseingangs, im Schatten der alten Sykomore, die sich über dem Hause ausbreitete, und erlas die zarten Früchte. Ihre Hände zeigten rote Flecken.
Der zweite Sommer, in dem der böse Krieg herrschte, dachte sie, ihre Gedanken wandern lassend, und Hal lebte, und William war in besserer Verfassung und glücklicher als seit langer Zeit. Seit Jahren war er nicht mehr fortgereist, nicht einmal in die Stadt, um seine Eltern zu besuchen – in der Tat das letztemal, ehe Hal durchbrannte. Er mußte sich wohl mit seinem Vater entzweit haben; allerdings erkundigte sie sich nie. Aber sie erinnerte sich oft daran, daß William damals davon gesprochen hatte, fortzugehen. Nun, er war nicht fortgegangen, und obwohl er jetzt eher weniger als mehr malte, waren seine Bilder besser. Sogar sie vermochte zu erkennen, daß sie etwas Neues hatten. Aber er verbrachte einen großen Teil der Zeit nicht mit Malen, sondern nur mit Spazierengehen, Lesen, Nachdenken, Schreiben. Den Salon hatte er in eine Bibliothek verwandelt. Bücher bedeckten die Wände bis zur Decke. Was hätten wohl ihre Eltern von einer solchen Verschwendung gedacht – viel mehr Bücher, als irgendein Mensch außer William jemals lesen konnte –, obzwar Jill jetzt anfing, allzuviel zu lesen. Jills wegen machte sie sich ein wenig Sorgen. Das Mädchen war so häßlich. Es gab sicher nicht viele Männer, die hinter diesen traurigen kleinen Augen und dem großen Munde etwas sahen. Sie hatte hübsche Hände, schmal und fein waren sie wie Williams Hände, aber welcher Mann hier in der Gegend achtete auf die Hände einer Frau?
Und wie stets suchte Ruth bei Mary Trost. Mary führte ein wirkliches Frauenleben, nachdem Joel nun aus dem Kriege heimgekehrt war, nur mit einer steifen Schulter. Sonst war er ebenso brauchbar wie früher; er konnte seiner Farmarbeit obliegen, und er und Mary würden viele Kinder bekommen, aber kein reizenderes als Klein-Henry. Sie und der alte Henry suchten bei dem stämmigen, kräftigen Bürschlein stummen Trost. Sie lächelte im Gedanken daran, was der alte Henry erst gestern in seiner ungeschminkten Art gesagt hatte – alt wurde er nur wegen des kleinen Henry genannt, in Wirklichkeit war er noch lange nicht alt.
Sie war hinübergegangen, um Mary um ein Rezept zu bitten, und die beiden Henrys waren im Hof gewesen. Der alte Henry stutzte gerade einen Fliederbusch, und der kleine Henry spielte mit den abgeschnittenen Zweigen. Sie war einen Augenblick stehen geblieben, um dem schönen, rosigen Büblein, das ihr, wie alle behaupteten, ähnelte, zuzusehen. Es glich ihr auch wirklich. Sie konnte es selber erkennen, obwohl sie es nicht sagen durfte, weil er ein so hübscher Junge war.
Der alte Henry
Weitere Kostenlose Bücher