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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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mit einem Begleitschreiben an Elise zurück, das unpersönlich war wie alle Briefe, die sie wechselten, und doch zweifelte er nicht, daß seine Worte sie trösten würden. Denn sie bedurften nicht mehr des persönlichen Wesens des andern. Was sie einander gaben, das war die Bestätigung von Geist zu Geist.
    »Ich weiß, daß Du imstande bist, den Tod zu umfassen, Elise«, schrieb er. »Es ist nicht notwendig, daß ich von Rex' Hinscheiden spreche. Was mich viel mehr beschäftigt, das ist das Fortbestehen seines Wesens. Das Wesen wirkt weiter, glaube ich, wenn der Geist positive Eigenschaften hat, die über den Körper hinausreichen. Aufweiche Weise, das kann ich ebensowenig bestimmen wie sonst ein Mensch. Aber ich bin fest überzeugt, daß einige Menschen – nicht alle – weiterleben, nachdem der Körper das Zeitliche gesegnet hat, und einer von ihnen ist, das weiß ich, Dein Sohn.«
    An diesem Abend ging er mit jenem sonderbaren Gefühl der Einsamkeit hinunter, das ihn immer bedrängte, wenn er sich von Ruth weit entfernt hatte.
    »Ruth! Ruth!« rief er durchs Haus.
    Sie war draußen im Gemüsegarten, wo sie Maiskolben für das Nachtessen zusammensuchte.
    »Ja!« rief sie zurück. »Wo hast du denn gesteckt, William?«
    »Oben.«
    Sie hielt in ihrer Tätigkeit inne und musterte ihn scharf. »Fühlst du dich auch wohl? Du siehst ein bißchen sonderbar aus, so benommen. Du hast doch heute nicht zu viel Sonne abbekommen?«
    »Ich brauche dich«, sagte er.
    Sie wußte nie so recht, was er damit meinte, aber sie wußte, wie sie sich daraufhin zu verhalten hatte.
    »Hilf mir doch bitte die Maiskolben zurechtmachen. Ich habe mich heute verspätet. Ein Huhn hatte sich hinausgestohlen, und ich mußte es suchen.«
    »Und hast du es gefunden?«
    »Ja, hinter dem Schweinestall in dem alten Trog, den wir nicht mehr benutzen.«
    Er setzte sich neben sie auf die Bank, die aus einem auf vier Beinen ruhenden Balken bestand, und zog dem hellgelben Mais langsam die grünen Blätter ab.
    »Wie schön das ist«, sagte er. Die seidigen Haare lagen glatt an den Körnern, und er streifte sie ab, Strang um Strang, und warf die Ewigkeit fort.
    ›Hätte ich wohl‹, fragte er sich an diesem Abend, ›so mit Elise schlafen können, Nacht um Nacht, und daran Freude gehabt?‹
    Er wußte, daß das nicht möglich gewesen wäre. Ruths Schlichtheit war der Born, an dem er sich erfrischte.
    Schweigend saß er neben ihr, weil er gerne herausgefunden hätte, worin die Eigenart der Ruhe, die sein Geist bei ihr fand, eigentlich bestand. Sie wirkte beschwichtigend und einschläfernd, sie umhüllte ihn, nicht mit einer harten, genauen Substanz, sondern mit warmer Flüssigkeit, die sich seinem Wesen ergab. In Ruths Beisein brauchte er weder zu denken noch Fragen zu stellen, noch Wortgefechte zu führen; er brauchte nicht zu sprechen, solange er kein Verlangen danach hegte. Sie redeten sehr wenig miteinander, immer seltener im Verlauf der Jahre. Wenn sie sprach, lauschte er, ohne zuzuhören, und was sie mit ihrer vollen, weichen Stimme sagte, vertiefte nur die Ruhe, die sie ausströmte. Mit der Zeit war er in allem von ihr abhängig geworden, außer in dem ruhelosen Kern seines Gemüts. Jetzt war Elise wieder aufgetaucht. Der Krieg hatte sie in sein Leben zurückgeworfen.
    Aber Elise hätte ihm keine Rückkehr von sich selbst vermitteln können, wie er von sich selbst zu Ruth zurückkehrte, weil er Elise nicht hätte verlassen dürfen. Wohin er auch ginge, da wäre Elise mitgegangen; sie wären immerzu zusammen gewesen; er wäre sie gewesen, und sie wäre er gewesen, und in der Unvermeidbarkeit ihrer unbedingten Einheit hätte es weder Ruhe noch Entspannung gegeben. Besser für sie beide, daß der Ozean dazwischenlag!
    In einem großen, englischen Garten hinter einem Hause Kents saß Elise und las Williams Brief, der an diesem Tage gekommen war und dem die von William zurückgesandten Briefe ihres Sohnes beilagen.
    Sie las sein Schreiben immer wieder, weil es den einzigen Trost enthielt, den ihr ein Mensch seit dem zweiten furchtbaren Augenblick am gestrigen Vormittag hatte spenden können. Sie war genau wie jetzt im Garten gewesen, denn das Haus vermochte sie nicht zu ertragen, wenn sie so angsterfüllt war, daß sie weder schlafen noch essen konnte. Es herrschte prächtiges Wetter, Tag für Tag, ohne Wind, klar, mild. Aber wenn es geregnet hätte, dann hätte sie einen Regenmantel angezogen und wäre draußen geblieben. Lag das auch zum Teil daran,

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