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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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hatte sie breit angelächelt und gesagt: »Na ja, Ruth, wir beide haben dieses Kind schließlich doch miteinander geschaffen, wenn auch auf einem Umweg. Ich hätte den Weg lieber abgekürzt.«
    »Pfui, Henry«, hatte sie geantwortet, aber das hatte sie schon so oft gerufen, daß es allmählich nicht mehr viel bedeutete. Dann hatte sie ernst hinzugefügt: »Solltest du nicht endlich aufhören, so zu reden? Wir werden alt, Henry, und es ist nicht anständig.«
    »Solange ich ein Mann bin und du ein Weib bist, muß ich so reden«, hatte er mutwillig entgegnet.
    Hierauf war sie fortgegangen. Niemand konnte behaupten, sie sei nicht immer eine peinlich genaue, brave Frau gewesen, die keinen andern Gedanken hegte als den an ihren Gatten.
    In diesem Augenblick hörte sie auf der Straße ein Auto. Tom sagte, daß es jetzt schon eine Unmenge gäbe, doch selten hatte ein solches Fahrzeug vor diesem Tore gehalten. Sie schaute von der Erdbeerschüssel auf und sah eine großgewachsene Frau in hellbraunem Mantel aussteigen. Von ihrem breitrandigen Hut hing ein Schleier hernieder, so daß Ruth ihr Gesicht nicht zu erkennen vermochte. Aber die Frau kam mit langen, fremdartig wirkenden Schritten heran, und gleich darauf nahm Ruth ihr Antlitz wahr, ein schmales Antlitz mit großen, dunklen Augen.
    »Wohnt hier Herr William Barton?« fragte die Frau. Sie hatte eine schöne Stimme, voll und wohltönend, als ob sie vielleicht singen könnte.
    »Ja«, gab Ruth Bescheid.
    Sie stand nicht auf und hielt auch nicht in ihrer Tätigkeit inne.
    »Wollen Sie ihm bitte ausrichten, daß eine alte Freundin von ihm gekommen ist, um ihn zu besuchen?«
    »Ich weiß nicht genau, wo er sich augenblicklich aufhält«, antwortete Ruth. Sie setzte die Schüssel hin und erhob sich. »Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen nicht die Hand geben kann«, sagte sie und streckte ihre rotbefleckten Hände aus.
    Die Frau machte ein erstauntes Gesicht.
    »Oh, sind Sie …«
    »Ich bin Frau Barton«, sagte Ruth ernst.
    »Oh«, wiederholte die Fremde.
    Ihre dunklen Augen starrten Ruth groß und gebannt an. Ruth fühlte sie heiß auf ihrem Gesicht.
    »Treten Sie ein«, forderte sie die Fremde auf. »Wenn Sie Platz nehmen wollen – ich suche ihn inzwischen.«
    Sie führte die Frau in das kühle Haus und bat sie in das Wohnzimmer, das William frisch tapeziert, aber nicht mit neuen Möbeln, sondern mit den ältesten Sachen ihrer Mutter ausgestattet hatte.
    »Dies ist also Williams Haus«, murmelte die Frau.
    »Meine Familie lebt hier schon seit beinahe zweihundert Jahren«, erklärte Ruth.
    Sie ging hinaus, um die Küchenglocke zu läuten, damit William kam. Sie wäre ehrlich froh gewesen, wenn sie ihn nicht gefunden hätte. Sie hätte gerne einen Entschuldigungsgrund gehabt, um zu der Frau zurückzukehren und sagen zu können, William sei nirgends zu finden.
    Aber William, der in einem kleinen Birkenhain nahe beim Bach spazierenging, hörte deutlich die Glocke, und kurz darauf sah Ruth ihn aufs Haus zukommen. Sie stand am Ausguß und wusch sich die Hände, als er eintrat.
    »Ist etwas los?« fragte er unter der Türe.
    »Es ist eine fremde Frau da, die dich besuchen möchte – sie sagt, sie sei eine alte Freundin.«
    Ruth blickte nicht auf. Die roten Flecken ließen sich nicht entfernen. Sie mußte warten, bis sie mit der Zeit von selbst verschwanden.
    »Aber ich habe gar keine alten Freundinnen«, erwiderte William verwundert.
    Sogleich war ihm Elise eingefallen, aber zwischen ihm und Elise lag der Ozean.
    »Nun, das hat sie jedenfalls gesagt.«
    »Wo ist sie denn?«
    »Im Wohnzimmer.«
    »Ich werde hingehen und schauen.«
    Er ging an ihr vorbei, und dann kam er, vielleicht weil er so stark an Elise gedacht hatte, drei Schritte zurück, umarmte Ruth und küßte sie fest auf den Mund.
    »Du riechst nach Sonne und Erdbeeren«, sagte er.
    Er nahm ihre Hände und trocknete sie nacheinander mit dem gelbbraunen Leinenhandtuch ab, küßte erst die eine fleckige Handfläche und dann die andere.
    »Weißt du, wie sehr ich deine Hände liebe?«
    Sie lächelte errötend und entzog ihm ihre Hände.
    »Geh jetzt, William – sie wartet schon lange. Soll ich Löwenzahnschnaps und Gebäck hereinbringen?«
    »Ja, tu das. Wo ist Jill?«
    »Sie liest vermutlich. Sie ist jetzt für nichts anderes mehr zu haben.«
    »Sie sollte dir helfen.«
    Er eilte hinaus. Zwölf Schritte durchs Eßzimmer, und er öffnete die Wohnzimmertür und gewahrte Elise. Sie hatte den Schleier zurückgeschlagen,

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