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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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weil Ronnie sich im Hause aufhielt? Sie und Ronnie waren einander zugetan, aber sie hatte gelernt, die Stille zu teilen, in der er lieber lebte, und es fiel ihr leichter, still zu sein, wenn sie sich allein draußen befand.
    Aber keine Stille, keine künstliche Ruhe, keine erzwungene Gelassenheit beim Gespräch hatte irgendwelchen Zweck gehabt. Sie sah das Mädchen das zweite Telegramm bringen, und sie erkannte, als sie es gewahrte, daß sie schon immer gewußt hatte, es würde kommen. Ja, sie hatte es gewußt, obwohl sie beim Lesen des ersten Telegrammes als erstes wild gedacht hatte, daß es wenigstens nicht Don war. Jetzt auch Don.
    Sie las das Telegramm, die amtliche Mitteilung, in der ihr mit dem Ausdruck des Bedauerns davon Kenntnis gegeben wurde, daß ihr Sohn Donald im Felde gefallen sei.
    Ihre Lippen wurden steif, und ihr Kinn begann zu zittern.
    »Ja, Minnie …«, versuchte sie zu sagen.
    »Meine Güte«, schrie Minnie auf, »doch nicht der junge Herr Donald!«
    Elise nickte; ihr Kinn zitterte immer noch.
    Sie machte sich auf den Weg zum Hause. Ronnie mußte Bescheid erhalten. Beide Male hatte sie das Telegramm entgegennehmen müssen. Diesmal brauchte sie nichts zu sagen. Sie wollte ihm nur das Telegramm hinstrecken. Rex war sein Liebling gewesen, und damals hatte sie das Gefühl gehabt, ihn trösten zu müssen. Diesmal gab es einfach keinen Trost.
    So ging sie schnell die Stufen zur Terrasse hinauf und über die Fliesen zu den geöffneten Fenstertüren der Bibliothek, wo er lesend saß, und sie reichte ihm das Telegramm. Er las es. Dann stand er auf, das Buch fiel ihm vom Schoße, und er schloß sie in die Arme. Sie legte die Wange an seine Schulter und hielt sich mit geschlossenen Augen atemlos an ihm fest. Wenn sie jeden Muskel, jede Sehne spannte, mußte sie vielleicht nicht weinen.
    »So ist es, meine Gute«, murmelte Ronnie. »Nicht weinen. Wir wollen tapfer sein, nicht wahr? Jetzt haben wir den Boden erreicht – nichts mehr zu verlieren!«
    Ja, das war es. Sie hatte nichts mehr zu verlieren. Ihre beiden Söhne waren hinübergegangen. Der Gedanke enthielt keinen Trost, sondern war bitter und beklemmend. Sie preßte ihr schwellendes Herz zusammen, und nach einer Weile lösten sie sich voneinander, jeder im Bewußtsein, daß der andere ohne weitere Äußerung standzuhalten vermochte. Ronnie nahm seine Lesebrille ab und säuberte sie langsam; sein schönes, alterndes Gesicht war dabei recht traurig.
    Sie setzte sich und starrte auf den Teppich.
    »Nachdem das geschehen ist«, sagte Ronnie, »werde ich wohl auch gehen müssen.«
    »Was willst du denn tun?« Ihre Augen suchten sich ein fortlaufendes dunkelrotes Fädchen in dem feingemusterten Perserteppich aus.
    »Es gibt allerhand, was ich tun könnte. Aber du? Ich lasse dich ungern in diesem großen Haus allein zurück.«
    »Es ist allzu groß, findest du nicht?« erwiderte sie. »Hättest du etwas dagegen, wenn ich heimginge?«
    »Heim?«
    »Nach Amerika.«
    »Du willst doch nicht … dort bleiben?«
    »Natürlich nicht – nur eine Zeitlang.«
    »Das wäre vielleicht das beste.«
    So wurde es beschlossen, aber da Ronnie nie etwas sofort in Angriff nehmen konnte, sollten sie erst in zwei Wochen fortgehen. Das Haus wollten sie als Lazarett zur Verfügung stellen. Einige Sachen schloß sie fort, den Rest ließ sie zurück, weil ihr klar wurde, daß sie sich aus nichts etwas machte.
    Danach saß sie wieder im Garten und las und las Williams Brief. Hätte er auch über Don so schreiben können? Rex hatte ihr oft geschrieben, Don nur selten, und doch liebte sie Don, ihren Ältesten, am meisten. Gehörte Don zu den Geistern, die fortlebten? Wenn nicht, hatte die Ewigkeit für sie keinen Wert.
    ›Ich werde William fragen‹, dachte sie bei sich.
    Und dann saß sie in dem milden englischen Sonnenschein und dachte an William. Wenn sie William sah, würde sie weinen und weinen. Ronnie wollte sie nie weinen lassen, aber bei William durfte sie sich gewiß ausweinen. »William William!« murmelte sie, und beim Klang seines Namens sprangen ihr die Tränen in die Augen.
    Hal wurde nicht verwundet. Das erste Kriegsjahr war zu Ende gegangen, und das zweite fing an; eine Schlacht nach der andern fand statt, wurde verloren oder gewonnen, und eine jede überstand er heil und gesund. Er schrieb seiner Mutter voll Stolz, daß der Feind noch keine Kugel gegossen habe, die ihn treffen könnte.
    Joel wurde verwundet und kam nach Hause; seine rechte Schulter hing tiefer

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