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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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einen Briefbogen und begann an Elise zu schreiben.
    Hal war fort, und Mary war fort, und das Haus schloß sich über dieser Lücke, als ob die beiden nie da gewesen wären.
    Joel rückte ein, und Ruth und Mary führten lange Gespräche miteinander, an denen niemand teilhatte. Aber sooft Mary auch in das Haus zurückkehrte, nie gehörte sie mehr dazu, und William wußte zudem, daß es nie mehr der Fall sein würde.
    »Wie geht es dir, Vater?« fragte sie, wenn sie ihn traf.
    »Sehr gut, danke«, antwortete er ruhig.
    Die Monate verstrichen, und er sah, daß sie mit einem Kind ging, aber ihm bedeutete das nicht mehr, als wenn er irgendeine Farmersfrau in diesem Zustand gesehen hätte. Das gehörte zu den Dingen, die Ruth nie erwähnte. Eines Tages würde sie hereinkommen und ruhig sagen: »Mary hat einen Jungen …« Oder ein Mädchen.
    Und er würde ebenso ruhig erwidern: »Ist alles gutgegangen?« Und das war dann alles.
    Jills Anwesenheit bemerkte er kaum, weil er in diesem Jahr sehr fleißig malte. Er fühlte sich besonders gut und tatkräftig: vielleicht lag das zum Teil daran, daß es ein trockenes Jahr war. Er schrieb auch regelmäßig an Elise, und ihre langen, engbeschriebenen Briefe regten ihn geistig an. Im April erhielt er einen Brief von ihr, in dem sie ihm mitteilte, daß ihr Jüngster, Reginald, der Blonde, gefallen war.
    Er holte die kleine Photographie hervor, die er Hal nie geschickt hatte, und betrachtete sie genau. So schnell hatte dieses junge Leben sein Ende erreicht! William empfand das seltsame Gefühl eines schmerzlichen Verlustes, weil Elise ihren letzten Nachrichten einige Briefe ihrer Söhne beigelegt hatte – sie nannte sie Don und Rex. Es waren, fand William, außergewöhnliche Briefe; einen glänzenden Gedankenfluß hatten diese jungen Soldaten, die sich prachtvoll ausdrücken konnten, die, des Lebens und des Todes so gewärtig, aller Schönheit ringsum so bewußt waren. Er sah manchmal die Briefe, die Hal an Ruth schrieb. Der Junge schrieb nur seiner Mutter – kurze, gleichmütige Briefe, die in der Hauptsache davon handelten, was er aß und trank, wo er seinen letzten Urlaubstag verbracht hatte und was man ihm schicken sollte. Aber sie befriedigten Ruth, weil sie ihr sagten, daß er lebte und nicht verwundet war.
    William, allein in seinem kleinen Zimmer, las Rex' Briefe alle noch einmal. Da der junge Mann jetzt tot war, mußte er sie Elise zurückgeben. Sie bedeuteten wohl etwas Kostbares für sie. Aber er verbrachte einige Stunden damit, einige Seiten daraus abzuschreiben, Abschnitte und Sätze, die ihm die junge Seele widerzuspiegeln schienen, obwohl der Körper zerbrochen und fort war.
    »Das Leben ist jetzt, wo ich weiß, daß jeder Augenblick den Tod bringen kann, so wunderbar köstlich. Es ist so viel mehr wert als alles übrige, daß ich mich bisweilen frage, warum ich nicht mein Gewehr hinwerfe und einfach weglaufe. Ich könnte es tun. Das Gelände hier kenne ich gut. Ich könnte mich eines Nachts, wenn ich Wache habe, verirren, meine Uniform abstreifen, Französisch oder Deutsch sprechen, wenn sich die Notwendigkeit ergibt. Ich beherrsche beide Sprachen ebenso gut wie Englisch. Ich weiß, daß ich im Grunde das Leben höher schätze als alles andere, als Vaterland oder Ehre oder sonst ein großes Wort. Ich schätze meine fünf Sinne, meinen Körper, mein leibliches Sein. Und doch weiß ich, daß ich deshalb nicht desertiere; weil es etwas gibt, das mir noch mehr bedeutet. Ich tue meine Pflicht, nicht weil ich ein Patriot bin das bin ich nicht –, auch nicht, weil ich ein Ehrenmann im herkömmlichen Sinne bin, sondern weil ich, würde ich desertieren, etwas anderes in mir zerstören würde.«
    »Heute abend ist ein Sonnenuntergang, Mutter. Nichts hebt sich davon ab außer Ruinen, aber er flammt gleichwohl. Es ist das Ewige in diesem Weltall – es setzt sich fort, trotz allem, was wir auf Erden tun.«
    »Ich wünschte, ich hätte wirklich geliebt, ehe dieser Krieg mich erwischte. Ich meine nicht irgendeine Verliebtheit. Ich meine die richtige Liebe, Ehe, Kinder, das Wahre, das immer weitergeht. Ich ersehne mir etwas Schönes, das immerdar bleibt, über mich hinaus.«
    Immer wieder schwang in den Briefen diese Sehnsucht nach einer Ewigkeit.
    William schrieb die feine, gerade Handschrift des jungen Mannes nach und dachte über dieses Bedürfnis nach. Fühlte er jetzt Zufriedenheit in der endlosen Dunkelheit, in die er eingegangen war? Wer wußte es?
    Er sandte die Briefe

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