Eine Luege ist nicht genug
ordentlichen Klumpen Kryptonit oder so was.
»Hat dein Vater auf dem Videoband nicht gesagt, dass er vergiftet würde?«, fragte ich.
»Ja. Dad hat gesagt, er würde vergiftet. Claude aber sagt, er wäre an Krebs gestorben. Wem glaubst du? Ich meine, hast du Dads Gesicht gesehen? Du hast ihn ja kaum erkannt! Krebs macht das nicht.«
Ich hatte keine Ahnung, was Krebs machen konnte. War der Krebs von Rex tatsächlich nur eine Vertuschungsstory? Hamilton war bereit, Claude hinter Gitter zu bringen, und ich fragte mich langsam, ob Mrs Prince ihm nicht Gesellschaft leisten sollte. Doch bis jetzt wusste ich nicht genug, um sicher zu sein, und die einzige Möglichkeit, es sicher zu wissen, bestand darin, den Autopsiebericht in die Finger zu kriegen. Doch irgendwie hatte ich so meine Zweifel, dass mir das gelingen konnte.
»Dein Onkel ist wegen Geld zu deinem Vater gekommen. Aber waren sie auch Freunde?«
Hamilton zuckte mit den Schultern. »Sie waren Brüder.«
»Aber mochten sie sich? Oder konnten sie sich nicht ausstehen? Haben sie sich an Ostern gleich angezogen? Du musst mir schon etwas mehr an die Hand geben.«
»Claude war der jüngere Bruder und mein Dad hat sich um ihn gekümmert, okay? Ich meine, sie haben zusammen getrunken und sind manchmal zusammen auf die Jagd gegangen, doch es war nicht so, als ob sie eng befreundet gewesen wären. Claude war immer neidisch wegen der Fabrik, und mein Dad hat ihm das Betteln übel genommen, aber deshalb hat er nicht aufgehört zu geben. Und wenn mein Dad Claude kein Geld gegeben hat, dann hat er ihm irgendeinen Job in der Fabrik verschafft, um ihm zu helfen, über die Runden zu kommen.«
Ich stand auf und wanderte vor dem großen Bildschirm auf und ab. Hamilton rutschte jetzt langsam auf den Zustand zu, wo es schon fast zu mühsam war, einfach nur den Mund zum Sprechen aufzumachen, doch ich wollte noch mehr aus ihm herausholen, solange das noch ging.
»W as für Jobs? Als was hat Claude in der Papierfabrik gearbeitet?«
»Ich weiß nicht. Alles. Lasterfahrer, Mechaniker, Verkäufer, Vorarbeiter.«
»Auch als Chemiker?«
»Ja.« Hamilton zögerte. »Halt mal, woher weißt du das?«
»V on dem Video. Dein Vater hat ihn gefragt ob er noch mehr Dioxinproben genommen hätte.«
»Oh, he. Das ist gut.« Hamilton schloss die Augen und ließ das Kinn auf die Brust sacken.
»So ein Hans Dampf in allen Gassen also?« Ich versuchte, ihn ein wenig aufzustacheln, damit er nicht endgültig schlappmachte.
Hamiltons Kopf kippte nach hinten. »Eher ein Hans ohne Dampf. Hat nie was sehr lange gemacht.«
»W as ist mit Claude und deiner Mom?«
Hamilton zwinkerte. »W as?«
»Claude und Mrs Prince. Standen sie sich nahe?«
»W as zum Teu…« Hamilton machte Anstalten aufzustehen. »W as soll das heißen?«
»Du wolltest, dass ich der Sache auf den Grund gehe, weißt du noch? Und das bedeutet, dass da ziemlich fiese Dinge hochkommen können. Bist du sicher, dass du das verkraftest?«
Hamilton stand jetzt und schwankte. Die Hände hatte er zu Fäusten geballt. »W as unterstellst du meiner Mutter?«
Da hatten wir es wieder. So wie Larry es sich erlauben konnte, Olivia schwer zu beleidigen, durfte auch Hamilton seine Mutter vor einem ganzen Zimmer voller Leute als Schlampe bezeichnen, doch sobald jemand anders auch nur andeutete, sie könnte vielleicht eine Affäre mit dem Bruder ihres Mannes gehabt haben, war die Hölle los.
»Ich unterstelle überhaupt nichts. Ich frage dich nur klipp und klar, ob sie mit Claude geschlafen hat.«
Mir war klar, dass Hamilton mir eine reinhauen wollte, lange bevor seine Faust wie im Zeitlupentempo auf mich zukam, und ich musste nur einen Schritt zur Seite machen. Er war wirklich voll wie ein Dudelsack. Seine Faust hinterließ gerade mal einen Lufthauch, und ich gab ihm einen leichten Stoß, sodass er der Länge nach über den bequemen Sessel fiel, in dem ich gesessen hatte. Ich trat einen Schritt zurück und bereitete meine Knöchel auf ein paar Kratzer vor, doch Hamilton gab nur ein seltsames, leicht würgendes Geräusch von sich. Und ich entspannte mich wieder. Er schnarchte.
Ich stellte seine halb geleerte Flasche weg, warf eine Decke über ihn und fügte meiner Liste noch eine weitere Kategorie hinzu. Der aggressive Betrunkene. Dümmliche Betrunkene zerbrechen Möbel. Müde Betrunkenen brechen in Furzen aus. Traurige Betrunkene brechen Herzen. Doch aggressive Betrunkene sind die schlimmsten. Sie brechen Nasen.
Oder
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