Eine Luege ist nicht genug
nickte, legte eine Hand auf meinen Arm und ließ mich dahinschmelzen.
»Das macht nichts«, meinte sie. »Es ist einfach gut, dass du da bist.«
Über die Auffahrt näherte sich ein Wagen, der die ersten Takte von »Dixie« schmetterte, was unseren blauen Häher den Abflug machen ließ. Die sehr nette Fantasie, die gerade wieder in mir aufkeimte, flog mit ihm davon. Ein selbst zusammengestoppelter Dodge Charger mit mehr grauen Flickstellen als Metall schleuderte den Kiesweg herauf und zog eine schwere Wolke aus Staub und Erde hinter sich her. Schlitternd kam er hinter der Geländelimousine von Mrs Prince zum Halt, wo er noch einmal ruckte, als der Fahrer den Fuß von der Kupplung nahm, ohne in den Leerlauf geschaltet zu haben.
Zwei schräge Typen kamen herausgeklettert – zum Glück durch die Tür und nicht durch die Fenster – und stolperten die Stufen zu uns herauf. Der eine von ihnen war ziemlich umfangreich und trug ein schwarzes ärmelloses Lynyrd-Skynyrd-Top über seinem Speckbauch. Der andere war so dürr, dass es schon ungesund aussah, und protzte mit einem fädigen Ziegenbart und einem Bowlingshirt voller Bilder von einem Stockcarfahrer. Die beiden waren ähnlich farbenfroh angezogen wie Candy der Cowboy.
Der Dicke legte grinsend seine nikotinverschmierten Zähne frei. »Tach, Mizz Prince. Kennen Sie uns noch?«
»Gilbert?«, fragte sie und wandte sich dem anderen zu. »Roscoe?«
Der Dünne klatschte dem Dicken die Rückhand auf die Brust.
»Hab dir doch gesagt, die kennt uns noch.«
»Horatio, das sind … Roscoe Grant und Gilbert Stern«, stellte sie vor.
Ich bemerkte, dass sie die Namen in umgekehrter Reihenfolge nannte, was bedeutete, dass sie sich nicht so schrecklich gut erinnerte. »Sie sind alte Freunde von Hamilton aus der Middle School. Sie wohnen hier in Denmark.«
»Ach, ja«, sagte ich.
»Horatio? Was ist das denn? Eine französische Schwuchtel?«, fragte einer von beiden.
»Der war doch ein römischer Dichter.«
»Kommt aufs selbe raus«, meinte der andere grinsend.
»Das ist aber eine Überraschung«, sagte Mrs Prince.
»Sind gekommen, um Hamilton zu besuchen.«
»Ihn aufzuheitern.«
»Ihr müsst ihn erst wecken«, erklärte ich ihnen. »Er ist im Fernsehzimmer eingeschlafen.«
»Fernsehzimmer? Ah, cool!«
Die beiden stießen leicht ihre Fäuste aneinander – so eine Art schlappes Abklatschen – und schlurften an uns vorbei ins Haus. Ich zwinkerte und wartete, bis Mrs Prince den Mund wieder schloss.
»Na«, sagte sie schließlich, »die beiden haben sich aber seit der Middle School ganz schön verändert.«
»Man weiß ja nie«, sagte ich zu ihr. »V ielleicht sind sie immer noch in der Middle School.«
Ich sah in Mrs Princes Gesicht ein Lächeln aufflackern, doch das verschwand wie schmutzige Unterwäsche, wenn Gäste kommen.
»Ich fahr jetzt besser, sonst komme ich zu spät. Es war gut, mit dir zu reden, Horatio.«
»Mit Ihnen auch, Mrs Prince.«
Der Landrover fuhr los und ich bewegte mich langsam vom Haus weg. Das Kino oben war wahrscheinlich schon von Hamiltons Überraschungsbesuch gestürmt worden, und ich hatte keinerlei Verlangen danach, bei einem Sixpack Bier Geschichten übers Barsch-Angeln auszutauschen. Jetzt war eine gute Gelegenheit nachzusehen, ob ich Nachrichten auf dem Handy hatte, und ich klappte es auf, während ich die Auffahrt entlangging.
Keine Schranken, keine Wachen. Wenn ich wollte, konnte ich jetzt einfach verschwinden.
Ein alter gelber Jeep mit zurückgeklapptem Verdeck holperte über die Auffahrt, und ich fragte mich schon, ob die Princes nicht langsam eine Mautgebühr erheben sollten, als ich meine rote Baseballkappe hinter der Windschutzscheibe erkannte. Ich wartete, bis Olivia neben mir anhielt.
»Läufst du weg?«, fragte sie. »Hast du nicht deinen Teddybär und deine Schmusedecke vergessen?«
»Ach, ich bin nur draußen, um ein bisschen frischen Gestank zu schnappen«, meinte ich. »W enn du drauf aus bist, mit deinem Ex Beleidigungen auszutauschen, also der ist auf einer Couch im Fernsehzimmer weggetreten. Aber du musst erst seine beiden alten Kumpels von den Stockcarrennen, Roscoe und Gilbert, überstehen.«
»Dumm und Dümmer? Was machen die denn hier?«
»Ich schätze mal, dass die gerade Proficatchen auf dem großen Bildschirm schauen.«
Olivia fuhr mit dem Jeep neben der Auffahrt eine Schleife, sodass er nun in Richtung Stadt zeigte. Wieder hielt sie neben mir und deutete mit dem Kopf auf den leeren
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