Eine Luege ist nicht genug
doch sicher nicht getrunken, oder?«
»Du lieber Himmel, nein. Das hätte sie wahrscheinlich sofort umgebracht. Aber was glaubst du, woher diese Menschen ihr Wasser bekommen? Sie pumpen es aus dem Boden, aus Brunnen. Und jetzt sag mir niemand, der eklige Fluss würde nicht das Grundwasser speisen. Frag doch die Leute, bei wem das Wasser aus dem Hahn braun rauskommt und nach faulen Eiern stinkt. Was glaubst du, wie lange die das Zeug schon getrunken haben, bevor es sich so verfärbt hat, dass man es sogar sehen konnte?«
Hinter uns ging die Tür der Kombination aus Tankstelle, Minimarkt und Poststelle knarrend auf, und eine alte Frau kam mit einem Laib Brot und einer Wasserkanne aus Plastik heraus.
»Genug gesehen?«, fragte Olivia, und ich nickte.
Zurück in Denmark fuhr Olivia auf den Parkplatz einer kleinen Imbissstube.
»Kannst du trotzdem was essen? Das geht auf meine Rechnung.«
»Ich denke, ich kann’s unten behalten«, antwortete ich.
Die Eingangstür protestierte, als wir hineingingen, und kratzte über das Linoleum auf dem Boden. Drinnen wirkte es so schmuddelig wie in allen alten Imbissstuben nach Jahren von Krümeln und Fett, auch wenn die Tische so aussahen, als könnte man von ihnen essen. Die roten Vinylsitzkissen entlang dem Tresen waren rissig und knackten, und ein paar von den Neonröhren an der Decke flackerten in einem hinausgezögerten Todeskampf. Eine müde aussehende ältere Kellnerin – dieselbe, die in jedem Imbissladen in jeder Stadt in jedem Staat im ganzen Land arbeitet – machte ihre Zigarettenpause unter dem Nichtraucherschild in der Ecke bei der Kaffeemaschine. Um diese Zeit am Nachmittag waren wir die einzigen Gäste.
»Setzt euch hin, wo ihr wollt«, krächzte die antike Kellnerin, »ich bin gleich da.«
Olivia blickte mich erwartungsvoll an.
»W as ist?«, fragte ich.
»Hamilton kann es hier nicht ausstehen. Er wäre schon wieder zur Tür raus und würde das Kettenrestaurant am Highway ansteuern.«
Ich zuckte mit den Schultern. »W illst du an die Theke oder an einen Tisch?«
Olivia rutschte in eine der abgeteilten Nischen, und für einen Augenblick beneidete ich das mit Klebstreifen geflickte Sitzkissen, als sie es sich darauf bequem machte. Ich krabbelte auf meine Seite und lehnte mich gegen das schmuddelige Fenster. Das eine E im Wort ESSEN warf einen schrägen Schatten über unseren Tisch.
Die Kellnerin erschien neben uns und stellte Gläser mit Wasser auf den Tisch, wie man das sonst nur in billigen Absteigen oder Fünfsternerestaurants macht. »Hi, Schätzchen«, sagte sie, blickte mich an, meinte aber eindeutig Olivia. »W as willst du haben?«
»Hamburger, Zwiebelringe und Cola light«, sagte Olivia, ohne auf die Speisekarte zu blicken.
»Dasselbe, nur mit Pommes und ein alkoholfreies Bier, wenn Sie das haben.«
»Pommes glatt oder gewellt?«
»Gewellt.«
Das schienen alle Informationen zu sein, die die Kellnerin brauchte, und sie glitt mit einem längeren Blick auf Olivia davon.
»Bist du oft hier?«, fragte ich.
»Oft genug«, meinte sie. »Der Kuchen ist gut.«
Die Getränke wurden gebracht, und die Kellnerin hielt genügend Abstand, während sie eine weitere Zigarette rauchte und darauf wartete, dass unsere Bestellung fertig wurde.
»Also lassen alle zu, dass Elsinore diesen Fluss vergiftet, weil sie das Geld brauchen?«
»Im Wesentlichen«, sagte Olivia. Sie trank von ihrer Cola. »V or zwei Jahren hab ich versucht, Hamiltons Vater dazu zu bringen, etwas dagegen zu tun. Er sagte, dass immer noch Fische in dem Wasser lebten und dass er die ständig angelte. Er war genauso voller Müll wie der Fluss.«
»W as ist mit der Regierung? Der Umweltschutzbehörde? Die müsste sich doch darüber hermachen?«
»Machst du Witze? Die steckt doch mit dem Staat unter einer Decke. Tennessee will genauso wenig, dass die Fabrik geschlossen wird, wie die Menschen in Denmark. Der Staat braucht die Steuereinnahmen. Übrigens hat Elsinore sämtliche Untersuchungen der Wasserqualität bestanden.«
»Jetzt machst du aber Witze.«
Unsere ältliche Bedienung schob uns die Teller vor die Nase. Mein Hamburger war riesig mit einem mächtigen Haufen Salat und Tomaten darauf und umringt von einem Berg von Spiralpommes. Der Geschmack des Flusses wurde schnell von einem wunderbar fettigen Aroma verdrängt.
Olivia schüttelte den Kopf, nahm einen gewaltigen Bissen von ihrem Hamburger und spülte ihn mit einem Schluck Cola runter. »Nein, aber ich weiß, wie sie es gemacht
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