Eine Luege ist nicht genug
sagte er zu mir. »Das Ding steht hier schon ewig.«
»Bestimmt, so lang ich hier arbeite«, sagte der andere Wachmann. »Ist auch gar nichts drin.«
Ich schüttelte die Dose, zum Teil auch, um mich selbst zu vergewissern, dass das, was ich haben wollte, auch immer noch drin war. Es war.
»Aber jetzt schon«, sagte ich zu ihnen. »Hm, hört mal, Jungs«, fuhr ich leise fort, als wären wir Kumpels und hätten ein gemeinsames Geheimnis. »Hab ich gesagt, Hamilton und ich wären neulich abends hergekommen, um Hallo zu sagen? Ich hätte sagen sollen, wir waren hier auf einen kleinen Absacker. Ich will nur nicht, dass Frank und Bernard in Schwierigkeiten geraten, wisst ihr? Deshalb müssen wir sozusagen die Beweise verschwinden lassen.«
Die beiden nickten, grinsten und warfen sich gegenseitig einen verschwörerischen Blick zu.
»Typisch Hamilton«, bemerkte der eine. »Der ist schwer in Ordnung. Der ist sich nie zu schade, mal herzukommen und, hm, ›Hallo zu sagen‹.«
»Ja, richtig cool.«
Die Wachmänner ließen mich gehen und ich lief zurück zu meinem Auto. Ich machte den Kofferraum des Volvo auf, rückte den Kasten mit den alten Büchern, den Wagenheber und den Werkzeugkasten zur Seite und versteckte die Blechdose unter meinen Unfalldecken. In der Dose war natürlich keine Flasche, sondern das Videoband, auf dem Hamiltons Vater uns erzählt hatte, dass er vergiftet wird. Ich konnte das Band nicht für alle Zeiten im Wagen lassen – allein die Hitze eines Sommernachmittags in Tennessee würde das Ding schmelzen lassen –, aber mit Sicherheit würde ich es auch nicht ins Haus bringen, ehe ich wusste, wo ich es verstecken konnte.
Als ich bei den Princes vorfuhr, stand der Luxusgeländewagen, mit dem Claude zur Polizeiwache gefahren war, wieder vor der Tür, was bedeutete, dass er wie der Teufel zurückgefahren war und versucht hatte, mich einzuholen. Ich überließ den Volvo den Angestellten und nahm auf der Vordertreppe immer drei Stufen auf einmal. Dann stürzte ich ins Haus, raste die Treppe hoch zum Fernsehzimmer, wo ich Roscoe und Gilbert vorfand, die wie üblich ihr Lager vor dem riesigen Bildschirm aufgeschlagen hatten. Sonst war niemand im Zimmer. Die beiden gönnten mir einen Blick und wandten sich dann wieder einem alten Film zu mit dem Titel Zwei Superflaschen räumen auf . Noch atemlos von der ganzen Hektik ging ich zum Schnapsschrank und schaute hinein. Die Flasche Johnnie Walker Black Label – das Lieblingsgetränk von Hamiltons Vater – war weg. Ich lachte freudlos auf und nickte. Dann stieg einen Moment lang Panik in mir auf.
»He, Jungs, habt ihr den Johnnie Walker getrunken?«
»Nö, Mann«, sagte der Dünne. »Und wir haben auch nicht gesehen, dass jemand reingekommen ist und ihn genommen hat.«
Der Dicke gab ihm einen Stoß.
Ich schloss den Schrank.
Entweder hatte Claude die Flasche irgendwann in der Nacht geholt, oder er war bei den beiden hereingeplatzt und hatte ihnen die sechsundzwanzigste Folge von Ultimate Fighting Championship aus dem Bezahlfernsehen versprochen, wenn sie nicht weitererzählten, dass er die Flasche genommen hatte. Es sah so aus, als wären meine Ahnungen wirklich nicht so schlecht.
Ich musste nachdenken. Roscoe und Gilbert waren wie ein geistiges schwarzes Loch und so wanderte ich durch den Flur zu meinem Zimmer. Ich stutzte, als ich einen der Angestellten sah, der meine Sachen aufräumte.
»Äh, kann ich Ihnen helfen?«
»Excusa« , sagte der Mann. »Nur aufräumen.«
»W as aufräumen?«, fragte ich.
»Das Zimmer, señor . Es war ein Durcheinander. Kleider und Sachen überall.«
Ich bin ein bisschen pingelig damit, meine Klamotten zusammengelegt in der Schublade und nicht auf dem Boden aufzubewahren. Hamilton und Olivia würden das wahrscheinlich als Paradebeispiel für mein trauriges Schicksal als Kontrollfreak ansehen, aber es ist halt so. Um es kurz zu machen, ich hatte mein Zimmer nicht als Saustall hinterlassen.
»Da lagen Kleider auf dem Boden? Durcheinandergeschmissen?«
»Sí« , sagte er nickend.
Das passte zu einem Prince, das Zimmer von jemandem auseinanderzunehmen und dann einen Angestellten zu rufen, der alles wieder aufräumen darf. Claude hatte mich auf dem Heimweg überholt, nicht nur um sich die letzte Flasche Johnnie Walker zu schnappen, aus der Hamiltons Vater getrunken hatte, bevor er starb, und von der ich annahm, dass sie mit derselben schwachen Giftmenge gepanscht war, die er beständig über Wochen, vielleicht sogar
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