Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Luege ist nicht genug

Titel: Eine Luege ist nicht genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Gratz
Vom Netzwerk:
Claude. Und dein Onkel weiß das auch.«
    »Na und?«, sagte Hamilton. »Soll er doch.«
    »Normalerweise würde ich das auch sagen. Aber lass uns mal zusammenfassen, ja? Wir sind einer Meinung, dass Claude deinen Vater ermordet hat, damit er Elsinore Paper übernehmen kann. Wenn er dafür getötet hat, meinst du nicht auch, er würde wieder töten, um nicht in den Knast zu gehen?«
    Hamilton blinzelte. »Du meinst … du meinst damit, dass du glaubst, er würde vielleicht versuchen, auch mich umzubringen?«
    »Meine Güte«, antwortete ich. »Nachdem du versucht hast, dasselbe mit ihm zu machen? Das ist vielleicht ’ne Frage.«
    »W arte mal«, sagt er, schon leicht in Panik. »W as soll ich denn jetzt machen?«
    »Ich glaube, dass sie dir den Ausweg an die Hand gegeben haben.«
    Ich zog den Klinikprospekt aus der Tasche und warf ihn ihm zu. Er flatterte zwischen uns zu Boden.
    »Auf keinen Fall, Horatio. Ich kann nicht …«
    »Du kannst und du musst. Erstens bist du dann rund hundert Meilen von Claude entfernt in einer ungefährlichen und geschützten Einrichtung.«
    »Ein Gefängnis, meinst du.«
    »Du hast gesagt, das Haus und die Fabrik wären ein Gefängnis, weißt du noch? Wo ist dann der Unterschied?«
    Er antwortete, indem er noch einen Schluck nahm.
    »Zweitens, du brauchst es.« Ich stand auf und nahm ihm die Flasche weg. »Und ja, du hast ein Problem, und ja, ich hätte gern, dass es dir besser geht.«
    »Es ist doch nur die Sache mit meinem Dad …«
    »Die macht alles schlimmer, klar. Aber du trinkst nicht aus Spaß, Hamilton, und du trinkst nicht, um locker zu werden. Du trinkst, um zu trinken.«
    Er starrte auf den Prospekt am Boden zu meinen Füßen.
    »Und was ist mit Claude? Wie können wir ihn als Mörder meines Vaters auffliegen lassen, wenn ich irgendwo weit weg in einem Sanatorium bin?«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob wir das jetzt sofort hinkriegen«, meinte ich. »Aber du fährst erst in ein paar Tagen. Gib mir eine letzte Chance, noch eine ganz bestimmte Sache durchzuziehen. Das ist etwas knifflig, aber vielleicht gibt es da tatsächlich was, das ich tun kann. In der Zwischenzeit packst du deine Sachen und passt auf deinen Rücken auf. Abgemacht?«
    Hamilton saß länger schweigend da, als ich mitzählen wollte.
    »Abgemacht.«

Neunzehntes Kapitel

    Ich ließ Hamilton in seinem Zimmer zurück und holte meinen Wagen, ohne auf einen Angestellten zu warten.
    Für das, was ich ausgetüftelt hatte, musste ich mit Olivia reden. Ihren Lieblingsaussichtspunkt in den Bergen hätte ich nicht wiedergefunden, auch wenn ich eine Woche lang jede Nebenstraße um Denmark abgefahren wäre, und ich wusste nicht, wo sie wohnte. Blieb nur noch eine Möglichkeit, wo ich es versuchen konnte. Ich fuhr in die Stadt.
    Die Eingangstür der Imbissstube kratzte über das Linoleum, als ich eintrat. Hier waren Olivia und ich bei unserem ersten Date gewesen und der Geruch nach Fett und Desinfektionsmittel machte mich ganz nostalgisch. Es waren keine Gäste da – es war die Zeit nach dem Mittagessen- und vor dem Abendessenansturm, und trotzdem fragte ich mich, ob es hier nicht immer so aussah. Ich schlüpfte in die Nische, an die ich gerne als »unsere Nische« dachte, und stellte die Kaffeedose, die ich mit reingebracht hatte, neben mich auf den Sitz.
    Die Frau, die uns beim letzten Mal bedient hatte, stand wieder hinter der Theke. Ein langer Aschekegel bog sich vorne an der Zigarette, die sie im Mund hängen hatte, während sie ganz offensichtlich die Stellenanzeigen in der Zeitung überflog. Sie blickte zu mir hoch und sah mich durch die halb geschlossenen Lider an.
    »Liv«, rief sie, »Tisch zwei.« Die Asche fiel von ihrer Zigarette, und sie wischte sie vom Papier auf die Theke.
    Die Küchentür schwang auf und Olivia kam heraus. Sie trug einen scheußlichen blauen Kellnerinnenkittel, der es irgendwie doch schaffte, an ihr gut auszusehen. Aber was soll ich sagen? Ich bin auf einer Privatschule und mag Mädchen in Uniform.
    Sie warf mir einen müden Blick zu, als könnte sie meine Gedanken lesen.
    »Soll ich ihn übernehmen, Schätzchen?«, fragte die alte Hexe.
    »Nein, danke«, entschied Olivia. Sie kam zu mir und stand dann mit in die Hüften gestemmten Armen da. »V ermisst du mich schon?«
    »Ja klar«, sagte ich. »Du kannst das ja nicht wissen, aber ich hab immer noch meine schmuddelige Serviette von neulich, als wir zusammen hier waren. Ich mache ein Sammelalbum für dich.«
    »Ach, halt die Klappe.«

Weitere Kostenlose Bücher