Eine Luege macht noch keine Liebe!
unsympathisch, aber sie fühlte sich reichlich ratlos und auch ziemlich überfahren.
„Ich bin erwachsen, Signora“, wiederholte sie lahm das Argument, das sie kurz zuvor schon Gaia gegenüber gebraucht hatte, „und Alessandro ist es ebenfalls. Was wir getan haben und was nicht, das war unsere freie Entscheidung.“
„Ihre nicht. Sie wussten zu wenig, um sich frei entscheiden zu können. Sie hatten das Recht auf mehr Ehrlichkeit und ich gestehe, der Besuch bei Ihnen ist mir nicht leicht gefallen. Man mischt sich damit ja doch in das Leben anderer Menschen ein und das erntet nicht immer Zustimmung“, sie lächelte dünn, „vor allen Dingen, wenn man erwachsene Söhne hat, die so eigensinnig sind wie meine.“
„Das glaube ich Ihnen gerne“, antwortete Lara höflich.
„Wenn Sie natürlich lieber nicht mit mir sprechen möchten, dann könnte ich das durchaus verstehen. Sie müssen es mir nur sagen und ich gehe wieder. Der erste Zweck meines Besuches hat sich bereits erfüllt: ich wollte mich persönlich vergewissern, wie es Ihnen geht.“
„Wie Sie sehen, geht es mir schon wieder ganz gut, danke.“
Antonia nickte bedächtig.
„Ich verstehe Ihre Zurückhaltung. Sie haben von unserer Familie bisher leider nicht viel Gutes erfahren. Mein zweites Anliegen wäre daher, Ihnen die ganze Wahrheit zu sagen und zwar vollkommen ehrlich. Falls es Sie noch interessiert und Sie damit einverstanden sind.“
„Warum, Signora?“
„Verstehen Sie mich bitte nicht falsch – ich komme nicht, um Sie umzustimmen, auch wenn es mich freuen würde, das zu erreichen. Aber viel wichtiger ist mir, dass Sie verstehen, warum das alles eigentlich wirklich passiert ist – wie gesagt, falls es Sie jetzt überhaupt noch interessiert.“
Lara spürte, wie schwer es ihr gefallen sein musste, diese Entscheidung zu treffen. Da war eine Familie, die zusammenhielt, für die sie ein Außenseiter war, noch dazu eine Ausländerin; eine Familie, die ihre eigene Geschichte hatte, die sie nicht kannte und in die sie eingebrochen war. Damit hatte sie – ohne es zu wissen – wohl einiges Durcheinander angerichtet.
Und nun kam diese Frau zu ihr und bot ihr an, sie darüber aufzuklären und ihr die fehlenden Mosaiksteinchen zu liefern. Eine Welle von Zuneigung stieg in Lara hoch und sie schämte sich beinahe, so kalt und unhöflich gewesen zu sein.
„Sie müssen das nicht tun, Signora, ich meine – in Wahrheit geht es mich nun ja nichts mehr an. Und schließlich können Sie ja auch gar nichts dafür, dass das alles passiert ist.“
„Nein, das vielleicht nicht, aber…“, wieder lächelte Antonia ihr eigenartiges, verhaltenes Lächeln. „Aber das ist eine lange Geschichte und vielleicht strengt es Sie ja zu sehr an ...“
„Nein, bestimmt nicht. Es ist mir nur äußerst peinlich, dass Sie mich in dieser Situation sehen, ich gebe momentan mit Sicherheit keine sehr glückliche Figur ab, aber bitte bleiben Sie! Es tut gut, mit jemandem zu reden, der Alessandro wirklich kennt.“
„Hm“, sie schüttelte zweifelnd den Kopf, „ob ich ihn wirklich kenne, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht so genau. Aber das tut ja jetzt nichts zur Sache, nicht wahr?“
„Nein“, bestätigte Lara, „Sie kennen ihn auf jeden Fall besser als ich.“
„Und über Ihr Aussehen machen Sie sich mal keine Sorgen, schließlich sind wir Frauen ja unter uns. Und wo wir schon dabei sind – ich schlage vor, wir duzen uns, einverstanden, Lara?“
„Sehr gerne, danke, Antonia.“
Sie nickte zufrieden.
„Fein. Ist es eigentlich wahr, dass du von Alessandro deshalb nichts mehr wissen willst, weil er dich über die ganzen Monate hinweg über die Wahrheit im Unklaren gelassen hat?“, begann sie langsam und ein wenig umständlich.
„Ja und nein. Das heißt, ja, das ist einer der Gründe.“
„Also gibt es noch andere“, vermutete Antonia vollkommen ohne Ironie.
Lara bezweifelte, ob eine Frau wie Alessandros Mutter den wahren Grund verstehen würde, und entschied, ihre Argumente bis auf weiteres für sich zu behalten. „Ja.“
„Na schön. Ich gebe zu, wir alle hielten das Ganze für keine sehr glückliche Idee, als wir davon erfuhren, aber Alessandro hatte immer schon seinen ganz eigenen Kopf ...“
„Was war keine gute Idee? Dass er eine Affäre mit einer deutschen Touristin hatte?“ Auch Lara stellte diese Frage ohne jeden Unterton.
„Das nicht, ich meine die Tatsache, dass er dir nicht gleich die Wahrheit gesagt hat. Oder zumindest zum
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