Eine magische Begegnung
Dank waren sie schon fast beim Blumenladen. So musste er dieses Gespräch nicht weiterführen. Er war niemand, der Dinge auf die lange Bank schob, doch er tat sich auch schwer damit, sofort Nein zu ihrem Plan zu sagen. Das hatte er in letzter Zeit allzu oft gemacht. “Wir reden heute Abend noch einmal darüber.”
“Ich würde lieber gleich heute anfangen. Darum werde ich Kate fragen, ob sie mich früher gehen lässt. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ein Mörder läuft frei herum, und es ist unsere Bürgerpflicht, unsere moralische Pflicht als
Mensch
…”
Er würde ein Machtwort sprechen müssen. “Nein.”
“Nein? Wie meinst du das?”
Er fuhr in eine Parklücke und stellte den Motor ab. “Lili, das hat doch keinen Sinn.”
“Doch, und ob! Es ist das Einzige, was wir tun können.”
“Was wir tun können, ist, Sheriff Gresswell seine Arbeit machen zu lassen. Und genau das werden wir auch.”
“Aber Tanner …”
“Aber Lili.” Er sah sie eindringlich an. “Roscoe hat einen Ausflug zum Boardwalk-Vergnügungspark geplant, weil Erika Ferien hat. Und den werden wir auch unternehmen. Wir schleifen Fluffy nicht durch die ganze Stadt, damit er Leute beschnüffelt.”
Sie biss sich auf die Lippen, als müsste sie sich eine sehr wortreiche Erwiderung verkneifen. “Einverstanden.”
Das war das Erschreckendste an der ganzen Sache. Dass Lili so leicht nachgab und akzeptierte, was er sagte. “Versprich mir, dass du nicht auf die Jagd nach dem Mörder gehst.”
“Ich verspreche es.”
“Diese Antwort kam jetzt etwas zu schnell.”
Sie machte einen Schmollmund und klimperte mit den Wimpern. “Ich verspreche, dass ich mit Fluffy heute keine Schnüffeltests mache.”
“Vielen Dank. Ich hole dich abends um sechs ab.”
“Kate kann mich nach Hause bringen.”
Kam gar nicht infrage. Er vertraute nicht so recht darauf, dass sie nach der Arbeit wirklich heimging, wenn er nicht persönlich dafür sorgte. “Ich hole dich ab, weil ich heute nicht bis in die Nacht arbeite.” Das hatte er bereits mit Roscoe so ausgemacht. Er musste den Finanzbericht durchsehen, dann hatte er einen Termin mit dem Rechnungsprüfer, und später kam ein Investmentbanker zu ihm – doch oberste Priorität hatte heute Erika. Außerdem hatte Roscoe den Ausflug seit Wochen geplant. Erika rechnete fest mit ihrem Vater, und Tanner würde rechtzeitig zu Hause sein. Komme, was wolle.
“Erika hätte gern, dass du zum Boardwalk mitkommst.”
Lili hatte eine Hand schon am Griff der Autotür, mit der anderen presste sie ihre Handtasche an die Brust. Ihre Augen waren starr auf den Türgriff gerichtet. “Und wie ist es mit dir?”
“Es wäre der erste Schritt unseres Plans, dass du die weibliche Bezugsperson für sie wirst.”
Lili nickte. Ihr Gesicht war versteckt hinter ein paar Haarsträhnen. “Bis später also.”
Dann stieg sie schnell aus. Tanner blieb mit dem Gefühl zurück, dass er in diesem Gespräch alles andere als siegreich gewesen war.
Lili würde das Versprechen halten, das sie ihm bezüglich Erika gegeben hatte. Doch für ihn selbst schien es – so angestrengt er auch nachdachte – kein Hintertürchen zu geben, wie er aus dieser Sache wieder herauskommen könnte.
Das hat doch keinen Sinn.
Übersetzung: Das mit
ihr
hatte keinen Sinn. Das war es, was Tanner gemeint hatte.
Und wegen dieses ganzen Debakels würde sie wahrscheinlich auch bald ihren Job verlieren.
Lili schob die Kassenlade zu. “Das tut mir alles so leid, Kate. Ich weiß nicht, was mit den Leuten los ist.”
Kate steckte sich ihren Druckbleistift hinters Ohr. “Hey, Süße, es war doch super fürs Geschäft.”
Den ganzen Vormittag hatten sich Kunden unaufhörlich die Türklinke in die Hand gegeben, und es war nicht anders gewesen, als Lili nach dem Mittagessen wieder in den Laden gekommen war. Alles, wonach sie sich in ihrer Pause gesehnt hatte, war ein Moment Ruhe gewesen. Doch kaum war sie im Freien, war sie an jeder Straßenecke angesprochen worden. Im Laden fühlte sie sich trotz allem sicherer.
Zu allem Überfluss hatte sie erfahren, dass Sheriff Gresswell Lady Dreadlock nicht gefunden hatte.
“Die meisten haben nicht einmal etwas gekauft. Sie interessieren sich alle nur für den Mord.”
Kate machte die Kassenlade wieder auf. “Mehr als die Hälfte hat etwas gekauft, auch wenn es meistens nur eine einzige Blume war.”
Und schon wieder bimmelte das Glöckchen über der Tür. Lili schloss die Augen und versuchte sich zu
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