Eine magische Begegnung
was ich zu tun habe. Und mich …” Sie unterbrach sich rasch, um nicht zu verraten, wie sehr die Sache mit Tanner sie mitnahm.
“Lili, du musst dich so akzeptieren, wie du bist. Manchmal kommt es mir vor, als ob du dich für dein Talent schämst.”
Kates Blick konnte furchtbar durchdringend sein. Sie hatte Joseph Swann so angesehen, und nun hatte sie diesen Blick wieder. Lili spürte, wie er bis zu ihrem wahren Problem durchdrang. Nämlich
Tanners
Unfähigkeit, sie so zu akzeptieren, wie sie war. Als er gestern gesagt hatte, dass er ihr vertraute und an sie glaubte, hatte sie es als wundersame Entwicklung aufgefasst. Heute allerdings hatte er sie schon wieder bevormundet.
“Kate, glaubst du, dass ich mit Tieren reden kann?” Lili hatte Kate noch nie so direkt gefragt. Manchmal hatte sie den Eindruck, dass Kate bloß Mitleid mit ihr hatte. Einerseits hatte Kate ihr nie widersprochen, andererseits hatte sie auch nie wirklich ihre Meinung dazu geäußert. In allen Gesprächen war es darum gegangen, was Lilis Meinung über sich selbst war, nicht darum, was Kate glaubte.
Kate war eine Frau, die mit den Augen ausdrückte, was sie empfand. Nicht durch Mimik oder Gesten. Auch jetzt nicht. “Ich mag dich. Und ich vertraue dir. Wenn mich jemand aus einem reißenden Fluss ziehen müsste, würde ich mir wünschen, dass du diejenige bist.”
Lili gab es einen Stich ins Herz. “Danke, Kate. Aber glaubst du mir auch?”
Lili spürte mit jeder Faser ihres Körpers, dass Kate das Gleiche sagen würde wie Tanner.
Ich glaube, dass du glaubst, es zu können.
Oder so etwas Ähnliches. Es bedeutete nicht dasselbe, wie ihr wirklich zu glauben. Sie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen.
Und dann machte Kate, die kein Freund großer Gesten war, etwas sehr Ungewöhnliches. Sie nahm einfach Lilis Hand. “Ich glaube dir, wenn du mir sagst, dass etwas wahr ist. Und darum glaube ich, dass du mit Tieren reden kannst.”
Wow. “Ohne irgendeinen Beweis?”
“Ich weiß nicht, wie du es mir beweisen könntest, Lili. Es ist wie mit Außerirdischen oder mit Geistern – man kann den Leuten alles so präsentieren, dass es echt aussieht.” Sie streichelte Lilis Arm. “Aber ich kenne dich, und ich glaube dir.”
Lili musste wieder mit den Tränen kämpfen, doch diesmal waren es Tränen der Rührung. “Das ist das Schönste, was je irgendjemand zu mir gesagt hat.”
“Du hättest mich schon viel früher fragen müssen, Liebes.”
“Ja, das hätte ich wahrscheinlich.” Es war erstaunlich, wie unglaublich gut es tat, dass Kate hinter ihr stand.
“Ich habe mir immer gedacht, dass du dich als Tierflüsterer selbstständig machen solltest wie der Mensch im Fernsehen. Du könntest sicher gut davon leben.”
“Ich kann doch kein Geld dafür nehmen!”
“Warum nicht? Sollten Ärzte deiner Meinung nach auch kein Geld für ihre Arbeit nehmen? Und was ist mit Polizisten oder Feuerwehrmännern? Oder dem Typ, der die Jauchegrube reinigt? Sollen die ihre Arbeit alle aus purer Mildtätigkeit umsonst machen?”
“Sie haben einen Beruf erlernt. Gut, der Jauche-Mensch vielleicht nicht.”
“Man muss doch von etwas leben, Lili.” Kate zuckte die Achseln. “Ich sage ja nicht, dass du Unsummen verlangen sollst, aber wenn du dich selbstständig machst und deine Arbeit mit Anzeigen in der Zeitung bewirbst, könntest du doch viel mehr Menschen helfen als jetzt. Wäre es das nicht wert?”
“Darüber habe ich noch nie nachgedacht.”
“Tja, ich schon. Obwohl ich es dir nie sagen wollte, weil es dein Leben ist und du selbst entscheiden sollst, was du daraus machst. Jedenfalls glaube ich, dass du dir eine Chance entgehen lässt.”
“Ich lasse es mir durch den Kopf gehen.” Lili tat sich schwer mit der Vorstellung, sich als Tierflüsterin selbstständig zu machen. Hoffentlich vergaß Kate die ganze Sache wieder. Aber leider vergaß Kate ja nie etwas.
Kate – ganz Unternehmerin – begann schon, Pläne zu schmieden. “Du könntest damit werben, dass du Hausbesuche machst.” Sie legte nachdenklich einen Finger auf den Mund. “Wir müssen uns einen guten Namen für deine Firma einfallen lassen.” Sie tippte Lili auf die Schulter. “Lass mich überlegen … es muss etwas Griffiges, Unverwechselbares sein. Dann besorgen wir uns noch ein paar Referenzen von Leuten, deren Tieren du geholfen hast, und du musst ein Gewerbe anmelden. Wir sollten übrigens besser schleunigst wieder hineingehen, ehe Sasha die Pfingstrosen mit ihrer
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