Eine magische Nacht. Roman
versuchen.« Sie atmete tief ein, um ihren Geist zu beruhigen.
»Das würde nicht schaden. Wie sieht’s mit der Tafel aus?«
Noch einmal atmete sie tief ein und antwortete beim Ausatmen. »Sag du es mir. Kannst du etwas erkennen?«
Vielsagend sah er ihr kurz in die Augen, dann wandte er rasch den Blick ab.
»Und das bedeutet dann wohl ein Ja.« Sie lächelte, ohne es lustig zu finden, und versuchte – sichtlich ohne Erfolg – die Frage zu verbannen, die sie bereits den größten Teil des Tages beschäftigte. Nebst einigen anderen, die ihr vorangegangen waren.
»Soll ich dir auf diese Frage eine Antwort geben, oder sollen wir noch einmal anfangen?«
»Ich glaube, deine Antwort habe ich bereits. Nämlich, dass es unnötig war, mich mit einem Glamour zu belegen. Meine kläglichen Gedanken waren so banal, dass es gar keinen Grund gab, meine Erinnerung an unseren kitschigen One-Night-Stand zurechtzurücken.«
»So habe ich das bestimmt nicht gesagt, aber das spielt jetzt keine Rolle.« Kanes Stimme war haargenau so ausdruckslos, wie ihre leere Tafel es seiner Meinung nach sein sollte. »Was den Gedankenschutz angeht … lass uns etwas anderes versuchen, einfach um zu sehen, ob es funktioniert. Versuche doch mal, mit einem Gedankenfetzen herumzuspielen, damit wir feststellen können, was sichtbar ist und was nicht. Fang damit an, den Gedanken an einen einzelnen Buchstaben, eine Zahl oder ein Wort an dir vorbeiwehen zu lassen, und in ungefähr fünfzehn Sekunden will ich mal einen Blick reinwerfen.«
In ihre Gedanken. Sie schreckte zurück. Er würde also einfach in ihrem Kopf herumstochern, um herauszufinden, was er sehen könnte. Verflucht, lieber würde sie aus dem Stegreif einen Gynäkologen vertreten, als sich einer solchen Geistessondierung zu unterziehen. Egal, durch wen.
»Es war deine Idee.«
»Und du hast viel zu früh mit dem Lesen angefangen«, beschwerte sie sich.
»Habe ich nicht. Mit dem Gedanken hast du mich regelrecht beworfen.«
»Ach du meine Güte. Zehn Sekunden, von jetzt ab, dann kannst du loslegen.«
Kane summte eine komplizierte kleine Melodie vor sich hin, die ihr irgendwie bekannt vorkam, während sie sorgfältig ihre Gedanken beschwichtigte und die mentale Schichtung von sinnlosen Zahlen und Wörtern in Angriff nahm.
Als Kane sich zu ihr umdrehte und sie eindringlich ansah, konnte sie die mentale Berührung geradezu fühlen und seine Frage spüren. Seine
unbeantwortete
Frage. Sie erlaubte sich zu lächeln. Es funktionierte.
»Letzte Nacht habe ich von dir geträumt.« Die kühne Aussage ertönte als heiseres Flüstern.
Ihre Gedankenschichtung fiel in sich zusammen, und viel zu schnell stieß sie die Luft aus.
»Die Ziffer Acht«, murmelte er in ruhiger Gewissheit.
»Du hast geschummelt.«
»Darauf kannst du wetten. Aber das ist gerechtfertigt und notwendig. Titania würde auch nicht fair spielen. Ich musste dir zeigen, wie unmöglich dieser Plan ist. Du meinst es gut, und ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dafür bin, dass du bereit bist, ein solches Risiko für mich einzugehen. Aber es ist zu gefährlich. Ich kann dich nicht gefährden.«
»Du kannst mich nicht …«
»Nein, verflixt noch mal. Ich kann dich nicht gefährden.« Offensichtlich bewegter, als er zeigen wollte, wandte er sich von ihr ab. Dann legte er den Kopf in den Nacken und murmelte in einer fremden melodiösen Sprache einen Satz. Ein Wirbel kleiner Lichter, und schon erschien eine junge Frau.
Janelle, die geglaubt hatte, an diese Dinge inzwischen gewöhnt zu sein, trat drei Schritte zurück. »Wer sind Sie?«
»Für wen halten Sie mich denn?« Die zierliche Frau sah an ihrer spitzen Nase vorbei auf sie herab. »Und wer sind
Sie?
«
Vorsichtig warf Janelle einen Blick auf Kane. »Ist sie eine Freundin von dir?«
»Ja und nein.« Kane wirkte gleichermaßen resigniert wie gereizt. »Janelle, darf ich dir meine Schwester Breena vorstellen.«
Janelle musterte Breena interessiert. »Noch ein Puka? Aber ich dachte …«
»Wohl kaum.« Breena schnaubte verächtlich und verdrehte die riesigen – nicht cartoonartigen, einfach nur wunderschönen – grünen Augen. »Ich bin eine echte Elfe, Baby. Anders als mein Bastard-Halbbruder hier.«
»Bastard? Meine Güte, und ich habe dich geliebt.« Aber Kanes Stimme klang sanft.
»Neuerdings trifft ja eigentlich nicht einmal mehr Halbbruder zu.« Neugierig sah sie Kane an. »Dad hat dich also schließlich enterbt, hm? Und wir sollen einen Menschen
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