Eine magische Nacht. Roman
Janelle sie ein wenig auf.
»Ja. Du hast mich ertappt, Doc«, antwortete Mina. »Also, das Bein ist hinüber?«
»Ja. Ich werde es unter der Achsel abschneiden. Wir brauchen noch ein langes Stück Leder, auf das du beißen kannst. Wie sieht’s mit deiner Zahnversicherung aus?«
Mina kicherte etwas zittrig und wappnete sich, als Janelle das blutgetränkte Handtuch von ihrem verletzten Bein abnahm. Als Janelle sah, wie tief der Schnitt war, klopfte ihr das Herz, und dann fühlte sie tatsächlich Übelkeit aufsteigen.
»Janelle?« Riordan wirkte überrascht. »Alles in Ordnung mit dir? Du bist ja ganz weiß geworden.« Und in einem etwas schärferen Ton fügte er hinzu: »Ist es so schlimm?«
»Nein. Alles … alles wie im Lehrbuch. Eine einfache Wunde mit sauberen Rändern. Das Glas hat nichts allzu Wichtiges durchtrennt, sonst gäbe es sehr viel mehr Blut als das, was wir jetzt sehen. Ich habe heute nur, hm, das Mittagessen ausgelassen. Blöd von mir.«
Lieber Himmel, Janelle. Was ist los mit dir? Eine Ärztin, der beim Anblick einer Beinwunde schlecht wird? Reiß dich zusammen. Denk an das, was du gelernt hast
.
Sie räusperte sich und sah ihre Patientin an. »Hübsche Wunde, Mina. Und anders als diese Kopfwunde, die du mir vor noch gar nicht so langer Zeit präsentiert hast, scheint diese hier tief genug zu sein, um genäht zu werden.«
»Ach Mist.« Mina klang ganz unglücklich.
»Aber, wie es sich so trifft«, Janelle schluckte durch eine zugeschnürte Kehle, »haben wir da eine Spezialbehandlung.« Sie sah sich um. Alle Männer außer Riordan und Kane waren außer Sicht- und Hörweite.
»Ein Sonderangebot, hm? Wie soll das aussehen? Zwei Stiche für den Preis von einem?«
»Sogar noch besser.« Janelle warf Riordan einen Blick zu. »Mit deiner Erlaubnis würde ich gern etwas versuchen, das ein wenig unorthodox ist.«
Mina öffnete die zusammengekniffenen Augen. »Du meinst diese verrückte Druidensache? Du weißt inzwischen, wie es geht?«
Janelle nickte. »Ja. Keine Medikamente, keine Nadeln, und was noch besser ist, es wird keine Narbe zurückbleiben.«
»Nun, du kennst ja meine Eitelkeit«, versuchte Mina verbal locker zu bleiben.
Janelle lächelte. »Du meinst, dass dich Nadeln genauso ausflippen lassen wie der Anblick von Blut?«
»O Gott, du hast ja keine Ahnung.«
Janelle sah zu Riordan, der schweigend nickte.
»Dann wollen wir die mal weglassen.« Behutsam legte sie ihre Hände auf die nackte Haut an beiden Seiten der Wunde und überließ sich ganz der plötzlich eintretenden Verwirrung. Wellen von Schmerz, Neugier, Ärger und Furcht schlugen auf ihr Bewusstsein ein. Gewissenhaft suchte Janelle den Schmerz heraus, tauchte darin ein und verfolgte ihn bis zu seiner Quelle. Dort untersuchte sie den Schaden. Eine Infektion konnte sie nicht entdecken. Eine leichte Muskelverletzung ja, aber es war nichts Kritisches.
Vorsichtig ließ sie der Magie freien Lauf und übergab sich vollkommen ihrer überwältigenden Kraft. Mit zunehmender Stärke brachen sich diese Wellen an ihr, bevor es zu einem Höhepunkt kam und sie schließlich abflauten. Als auch noch die letzten Reste in Form eines dumpfen Pochens auf ein neutrales Level abgesunken waren, öffnete sie die Augen. Sie war erleichtert und geradezu überrascht, sich in ihrem eigenen Körper wiederzufinden. Ihrem eigenen, sehr zittrigen Körper.
Auf Minas Haut war noch immer Blut zu sehen, und dann eine schwache Linie, wo vorher der Schnitt war. Aber die Wunde sah jetzt eher aus, als wäre sie einen Monat alt und nicht frisch. Mit Abstand betrachtet, würde Janelle sagen, dass sie mindestens so gut aussah wie die Arbeit eines Schönheitschirurgen, wenn nicht besser. Dieses Kunststück wollte sie sich nicht zuschreiben, sie war einfach nur dankbar dafür. Vor allem, wenn sie daran dachte, wie sie anfangs beinahe die Beherrschung verloren hatte. Alles wegen einer einfachen Schnittwunde. Es kam nicht häufig vor, dass sie jemanden behandelte, den sie kannte. Bei Freunden war alles so anders.
Mina beobachtete sie derweil mit skeptischer Verwunderung. »Also hat es funktioniert, hm? Hat nicht mal wehgetan. Ich meine, außer dem Schmerz konnte ich zwar noch etwas anderes fühlen, als du mich berührt hast, aber …« Sie riss die Augen auf. »Das ist erstaunlich. Stell dir vor, was du mit einer solchen Gabe bewirken kannst.«
Janelle lächelte leicht. »Ja, das habe ich anfangs auch gedacht. Und es ist erstaunlich. Aber … nun, es ist auch
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