Eine Marcelli geht aufs Ganze
ein goldbraunes Stück Hühnerbrust auf den Teller.
»Er sagt, er denkt darüber nach, das Weingut zu verkaufen.«
Francesca erstarrte. Sie fing den besorgten Blick ihrer Schwester auf. »Das kann nicht sein. Marcelli Wines ist ein Familienunternehmen.«
»Das habe ich ihm auch gesagt.« Sie füllte sich einen Löffel grüne Bohnen auf. »Wir sprechen von einer beinah siebzigjährigen Tradition. Ich bin ...« Brenna nahm ihr Weinglas zur Hand und trank einen großen Schluck. »Verdammt soll er sein. Er sagt, er muss verkaufen, weil er sich nicht drauf verlassen kann, dass ich dableibe. Die ersten achtzehn Jahre meines Lebens habe ich immer nur gehört, dass ich einen Mann finden, heiraten und Babys kriegen muss. Ich habe Jeff geheiratet, so wie ich es sollte. Und jetzt beschwert sich unser Großvater darüber.«
Francesca fühlte den Schmerz ihrer Zwillingsschwester, als wäre es ihr eigener. »Das ist unfair. Wenn du geblieben wärst, hätte er sich darüber auch beschwert.«
»Ich weiß. Aber nun bin ich wieder da. Ich habe meine Lektion in Bezug auf Männer gelernt. Seitdem Jeff und ich uns getrennt haben, vergrabe ich mich in der Arbeit. Innerhalb von zwei Tagen habe ich gewusst, dass ich niemals hätte gehen dürfen. Es gibt nichts, das ich mehr liebe, als durch die Weinberge zu laufen und Wein herzustellen. Ich will nichts anderes tun. Wenn er wirklich verkauft ...«
Verärgert schnitt Brenna ein Stück Hühnchen ab und steckte es in den Mund.
»Hast du ihm deinen Standpunkt schon mal klargemacht?« Francesca fragte, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
Brenna schüttelte den Kopf. »Glaubst du wirklich, das würde etwas bringen?«
»Ich weiß es nicht. Wenn er versteht, wie viel es dir bedeutet, könnte das einen Unterschied machen.«
»Er wird nicht zuhören. Du kennst doch seinen Dickkopf. Er will alles immer nur auf seine Art regeln.«
Francesca wusste, dass das stimmte. Ihr Großvater regierte die Familie mit eiserner Hand. Mehr noch, mit einer eisernen Hand aus dem neunzehnten Jahrhundert. Seine altmodischen Regeln und Vorstellungen vom Familienleben beinhalteten, dass jeder, der nicht mit ihm einer Meinung war, jederzeit ohne Vorwarnung verstoßen werden konnte. Dieses ›Exil‹ war meist nur vorübergehend, aber dennoch schmerzhaft.
»Ich habe so viele Ideen«, fuhr Brenna fort. »Demnächst stehen diese wundervollen Pinot-Trauben zum Verkauf. Ich will sie unbedingt erwerben, aber er hört nicht auf mich. Schlimmer noch, das dazugehörige Land könnte mit auf den Markt kommen. Ich würde dafür töten, es zu kriegen.«
Francesca mochte sich wegen ihres Studiums gerade so eben über Wasser halten können, aber Brennas finanzielle Situation war noch viel prekärer, nachdem sie ihrem zukünftigen Exmann in den vergangenen neun Jahren das Medizinstudium finanziert hatte. Kaum hatte der Schuft es geschafft, sich als aufstrebender Kardiologe einen Namen zu machen, hatte er seine Frau gegen ein jüngeres Modell ausgetauscht.
»Was ist mit der Abfindung? Kannst du die nicht zum Kauf der Trauben nutzen?« Francesca biss ein Stück vom Hühnchen ab und unterdrückte ein genussvolles Stöhnen. Wie immer war es ihrer Großmutter gelungen, das Fleisch einzigartig zart und köstlich zuzubereiten.
Brenna zuckte mit den Schultern. »Das würde sicher helfen, aber was dann? Ich hätte Trauben, aber keine Möglichkeit, sie zu verarbeiten. Ich müsste mir den Platz und die ganzen Maschinen mieten. Puh, Francesca, wir reden hier von mehreren Hunderttausend Dollar. Ich weiß nicht ...«
Sie stocherte in den Kartoffeln auf ihrem Teller herum. »Okay, genug gejammert. Was ist bei dir so los? Ich habe dich gestern Abend angerufen, aber du warst nicht da. Ich hoffe, du hast gute Neuigkeiten. Sag mir bitte, dass du einen fabelhaften Mann kennengelernt hast, mit dem du stundenlang heißen Sex hattest.« Sie lachte. »Obwohl, wenn ich genau darüber nachdenke, fände ich diese Nachricht vermutlich ein wenig deprimierend.«
Francesca schob die grünen Bohnen auf ihrem Teller herum. »Lustig, dass du das sagst.«
Brenna blieb der Mund offen stehen. »Nein, das kann nicht sein.«
»Kann es doch. Na ja, zumindest so in etwa.«
Lachend hob Brenna ihr Glas. »Gut gemacht, Mädchen. Ich kann nicht glauben, dass du Sex hattest. Bist du sicher? Wart ihr alle nackt?«
»Da sich zu dem Zeitpunkt nur wir zwei in dem Zimmer befanden, bin ich mir ziemlich sicher, mich an den Teil zu erinnern. Ja, wir waren
Weitere Kostenlose Bücher