Eine Marcelli geht aufs Ganze
erklärte sie und seufzte.
Zärtlich strich er die Falte zwischen ihren Augenbrauen glatt.
Dann ließ er den Arm sinken.
»Das hatte ich mir fast gedacht«, sagte er. »Ich meine, da die Feier in ihrem Haus stattfindet.«
Sie lächelte. »Genau. Bei meinem letzten Besuch hier mit Kelly habe ich versucht, ihnen zu erklären, dass wir keine feste Beziehung haben, aber sie haben nicht zugehört. Wenn ich dich jetzt meiner Familie vorstelle, ist es für sie nur noch ein kleiner Schritt bis zur glücklichen Ehe. Sobald sie dich leibhaftig vor sich sehen, hören sie die Hochzeitsglocken läuten. Ich will dich nur warnen: Sie gehen kein bisschen feinfühlig vor.«
Sie sah wirklich besorgt aus, was Sam ganz bezaubernd fand. »Das ist schon in Ordnung. Deine Familie macht mir keine Angst.«
»Das sagst du nur, weil du sie noch nicht kennengelernt hast.« Sie musterte ihn. »Du sollst nur wissen, dass ich nichts hinter deinem Rücken angedeutet habe.«
Er berührte ihre Wange. »Francesca, ich vertraue dir. Du bist niemand, der andere Leute hinters Licht führt.«
Sie wollte etwas erwidern, doch in dem Moment ging die Hintertür auf und mehrere Leute traten in den Garten hinaus. Im Näherkommen erkannte Sam eine gewisse Familienähnlichkeit. Und spätestens als er Francesca stöhnen hörte, wusste er, dass das ihre Sippe war.
»Wird schon nicht so schlimm«, murmelte er.
Sie schenkte ihm einen mitleidigen Blick und wandte sich dann der Gruppe zu. Zehn Minuten später wusste Sam, dass er die Situation falsch eingeschätzt hatte. Und zwar vollkommen falsch.
Obwohl Kelly ihm erklärt hatte, wer wer war, hatte er Schwierigkeiten, sich alle Namen zu merken. Eine der Großmütter nahm seine Wange in einen Klammergriff, der ihm beinahe die Tränen in die Augen trieb, und die Art, wie Francescas Schwestern ihn betrachteten, verriet ihm, dass er später noch einige Fragen würde beantworten müssen.
»Komm«, sagte die Wangenkneiferin und packte ihn am Arm. »Du kannst mir drinnen helfen. Und während wir arbeiten, unterhalten wir uns ein wenig.«
Sam warf Francesca einen Hilfe suchenden Blick zu, doch sie zuckte nur mit den Schultern, als wollte sie sagen, dass sie keine Schuld trug. Ihre Mutter fragte sie etwas und sie drehte sich weg. Sam war auf sich allein gestellt.
»Sie sind Mrs Marcelli?«, fragte er auf dem Weg ins Haus. Der Hauswirtschaftsraum ging in die große Küche über, in der ein mehrflammiger Gasherd stand, für den Elena vermutlich töten würde. Seit ihrem ersten Tag bei ihm bettelte sie um einen größeren Herd.
»Du kannst mich Grandma Tessa nennen«, sagte die Frau und dirigierte ihn zur Spüle. »Hände waschen. Und die Seife nicht vergessen.«
»Ja, Ma'am.«
Er tat, wie ihm befohlen, trocknete dann seine Hände ab und trat an die große Kochinsel in der Mitte der Küche. Hunderte von Flaggenkeksen warteten darauf, verziert zu werden.
Grandma Tessa reichte ihm eine Spritztüte mit roter Glasur, nahm sich selbst auch eine und zeigte ihm, wie er genau die richtige Menge herausdrückte.
»Wir arbeiten in Reihen«, sagte sie. »Und schön gerade Linien ziehen.«
Sechs Kekse später hatte er den Dreh raus und schaffte es, einigermaßen gerade Linien auf die Kekse zu setzen. Grandma Tessa arbeitete ungefähr mit der fünffachen Geschwindigkeit und tupfte kleine blaue Punkte auf, die die Sterne darstellen sollten.
»Also, wie hast du Francesca kennengelernt?«, wollte sie wissen.
»Sie hat in meinem Bürogebäude eines ihrer Experimente durchgeführt. Ich bot an, ihr zu helfen. Sie war verkleidet, was ich aber nicht bemerkt habe. Das hat mich beeindruckt.«
Die ältere Frau sah ihn an. »Sie ist ein beeindruckendes Mädchen.«
»Ich weiß.«
»Du hast also eine Tochter. Wo ist deine Frau?«
»Auf dem Weg nach Europa, um einen anderen zu heiraten.«
»Und du hast von dem Kind vorher nichts gewusst?«
»Gar nichts.« Sam war überrascht, dass leichte Wut in ihm aufkam. »Sie hatte kein Recht, mir Kelly vorzuenthalten.« Zum ersten Mal seit dem Auftauchen seiner Tochter erkannte er, wie viel er bereits in ihrem Leben versäumt hatte. Ihre Geburt, ihr erstes Wort, die ersten Schritte. Er hatte Dinge verpasst, die unwiederbringlich vorbei waren.
Grandma Tessa lächelte. »Du siehst böse aus. Gut. Du kümmerst dich um die Deinen.«
Die Seinen? Er nahm an, dass sie damit Kelly meinte. »Sie kann ganz schön anstrengend sein.«
»Sie nabelt sich ab. Sie wachsen auf und hören dann nicht mehr zu.
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