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Eine Messe für all die Toten

Eine Messe für all die Toten

Titel: Eine Messe für all die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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war nicht allein.
    «Ich glaube, wir müssen jetzt gehen», sagte er.
    Carole nickte und leerte ihr drittes Glas
Babyeham. Von Anfang an war ihr in seiner Gesellschaft recht unbehaglich
gewesen. Das lag auch daran, wie er mit ihr redete, so alltäglich, überhaupt
nicht zärtlich. Nein, so hatte sie sich das nicht vorgestellt. Natürlich war
sie nicht zum erstenmal in einem Pub. Aber bisher hatte sie bei ihren Besuchen
nur kichernd mit ein paar Schulfreundinnen um die Musikbox herumgestanden. Die
ganze Sache war ein Reinfall, dabei hätte es auch ganz anders laufen können...
    Der Wagen stand ganz hinten auf dem Parkplatz.
Morris schloß ihr höflich die Tür auf und öffnete, ehe er sich ans Steuer
setzte.
    «Du wirst doch den Mund halten?»
    «Klar.»
    «Du darfst niemandem etwas sagen.»
    «Ich sag’s keinem Menschen.» Die Augen unter den
grellbunten Lidschatten waren stumpf vor Enttäuschung.
    Morris holte tief Luft. «Schnall dich an,
Kleines. Sicher ist sicher...»
    Er lehnte sich zu ihr herüber, um ihr mit dem
widerspenstigen Sicherheitsgurt zu helfen, und spürte ihre weiche Brust. Mit
einer fast väterlichen Bewegung nahm er ihre Hand und drückte seinen Mund
leicht auf den ihren, spürte ihre vollen, weichen Lippen. Mehr hatte es nicht
sein sollen, doch als sie den Druck sanft, aber merklich erwiderte, konnte er
sich nicht trennen, ließ sich von dem sinnlichen Genuß erregen. Er legte den
Arm auf den Rücken der Sitzlehne und zog das Mädchen näher zu sich heran. Dann
schob sich ihre Zungenspitze zwischen seine Lippen, und die Glut wurde zur
verzehrenden Flamme. Ungeduldig zog sie seine Hand an ihren nackten Schenkel,
ihre Beine spreizten sich langsam und einladend.
    Sie lösten sich schuldbewußt voneinander, als
ein Wagen rückwärts in die Parklücke neben ihnen fuhr. Morris setzte sie am
Nordende von Kidlington ab, wo er sie auch abgeholt hatte.
    «Möchtest du mich mal besuchen?» Es waren die
ersten Worte, die sie auf der Rückfahrt wechselten.
    «Wann denn?»
    «Ich weiß nicht.» Seine Kehle war sehr trocken.
«Jetzt?»
    «Ist gut.»
    «Wie lange brauchst du von hier?»
    «Zehn Minuten.»
    «Am besten kommst du zur Hintertür.»
    «Ist gut.»
    «Ich will dich haben, Carole.»
    «Ich Sie auch, Sir.» Sir... Himmel, was tat er
da? «Beeil dich,
    ja?»
    «Klar.»
    In der Küche öffnete er eine Flasche Beaujolais,
holte zwei Gläser und sah noch einmal auf die Uhr. Noch fünf Minuten. So beeil
dich doch, Carole. Schon knöpfte er im Geist die weiße Bluse auf, schob seine
Hände hinein, um ihre Brüste zu liebkosen... Er atmete tief, wartete mit fast
verzweifelter Ungeduld.
    Als er endlich das schüchterne Klopfen hörte,
ging er zur Tür wie ein Mann, dem sich die Tore zum Paradies geöffnet haben.
    «Guten Abend», sagte Lawson. «Hoffentlich störe
ich nicht. Ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen. Es ist — äh — ziemlich
wichtig.»

Das zweite Buch der Chronik

6
     
    Wäre Detective Chief Inspector Morse weniger
säumig und unentschlossen gewesen, hätte er sich jetzt an der griechischen
Inselwelt erfreuen können. Vor drei Monaten, im Januar, hatte er mit dem
Reisebüro über Buchungen für Ostern gesprochen, hatte sich eine bunte Broschüre
mitgeben lassen, sich bei seiner Bank nach dem Wechselkurs der Drachme
erkundigt, ein Reisewörterbuch Neugriechisch erstanden und sogar seinen Paß
zutage gefordert. Er war noch nie in Griechenland gewesen und hatte sich noch
als siebenundvierzigjähriger Junggeselle genug Romantik bewahrt, um sich eine
lässige Liaison mit einem alternden Filmstar auf den blauen Wogen der Ägäis
vorstellen zu können. Aber es sollte nicht sein. Statt dessen stand er an
diesem frostigen Montagvormittag Anfang April an einer Bushaltestelle in
Nord-Oxford, hatte vierzehn Tage Urlaub in Aussicht und fragte sich, wie es
wohl andere Leute fertigbrachten, ihr Leben zu organisieren, Entscheidungen zu
treffen oder sogar einen Brief zu schreiben.
    Noch immer kein Bus in Sicht.
    Eine hochschwangere Mama schob eine gebrechliche
Faltkinderkarre in das Wartehäuschen, schnallte das darin befindliche Kleinkind
los und rief ihren etwas älteren Sprößling zur Ordnung, der, wie Morse fand,
bereits deutliche Ansätze zu einer vielversprechenden Kriminellenkarriere
erkennen ließ. «Wirst du wohl aufhören, mit Steinen zu schmeißen, Jason.»
    Jason. Jason und die Argonauten, die durch den
Hellespont segelten. Auf diesen Wink hätte Morse gern verzichtet. Es war heute
schon der

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