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Eine Messe für all die Toten

Eine Messe für all die Toten

Titel: Eine Messe für all die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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haben gewußt, daß er tot ist, nicht?»
fragte sie leise.
    Morse blinzelte vergnügt. «Meinen Sie?»
    «Sie sind Reporter, ja?»
    Er schüttelte den Kopf und sagte ihr, daß er
Kriminalbeamter sei. Bei der Thames Valley Police in Kidlington, nicht in
Oxford selbst. Er habe von dem Fall gehört, ihn aber nicht bearbeitet. Damals
sei er im Ausland gewesen.
    «Hatten Sie auch etwas damit zu tun?»
    «Ja, so könnte man es wohl sagen.»
    «Wie meinen Sie?»
    Sie hatte so leise gesprochen, daß Morse einen
Schritt näher herantrat. «Ich war am Abend des Mordes hier in der Kirche.»
    «Tatsächlich? Erzählen Sie doch mal.»
    Sie wischte sich die Hände an den
ausgebleichten, in Höhe der Knie fast durchgescheuerten Jeans ab und stand auf.
    Ihr Gang war anmutig und ungezwungen, und Morse
blickte ihr aufmerksam nach, als sie im Hintergrund verschwand. Eine Minute
später tauchte sie mit einer braunen Handtasche wieder auf. Sie hatte bei
dieser Gelegenheit ihr Haar in Ordnung gebracht, und Morse sah, daß sie einmal
sehr anziehend gewesen sein mußte.
    «Hier.» Sie reichte ihm einen billigen braunen
Umschlag mit einigen Ausschnitten aus der Oxford Mail, und Morse setzte
sich in die gegenüberliegende Kirchenbank und faltete behutsam die dünnen
Blätter auseinander. Der erste Ausschnitt war vom Dienstag, dem 27. September
des vergangenen Jahres.
     
    KIRCHENÄLTESTER BEIM GOTTESDIENST ERMORDET
    Während
die Gemeinde den letzten Choral sang, wurde gestern abend H. A. Josephs in der
Sakristei von St. Frideswide’s, Cornmarket, erstochen. Chief Inspector Bell von
der Oxford City Police, der die Ermittlungen leitet, sagte unserem Reporter,
daß Josephs, einer der beiden Kirchenältesten von St. Frideswide’s, gerade die
Kollekte eingesammelt hatte und vermutlich beim Zählen gewesen war, als das
Verbrechen geschah.
    Als
die Polizei eintraf, waren Kollekteteller und Geld verschwunden. Die Tat sei,
falls es sich um einen Raub gehandelt hatte, besonders tragisch, meinte
Inspector Bell, weil an dem Abendgottesdienst nur eine Handvoll Besucher
teilgenommen hatten und höchstens zwei bis drei Pfund zusammengekommen waren.
    Mehrere
Gottesdienstbesucher hatten gehört, daß hinten in der Kirche Unruhe entstand,
hatten sich aber nichts dabei gedacht, bis Josephs um Hilfe rief. Der Pfarrer,
Hochwürden L. Lawson, unterbrach sofort den Gottesdienst und verständigte
Polizei und Rettungsdienst, aber Josephs starb, ehe der Krankenwagen eintraf.
    Die
Tatwaffe war ein mattgoldenes Papiermesser in Form eines Kruzifixes mit
rasiermesserscharfer Klinge. Die Polizei bittet um Meldung von Zeugen, die ein
solches Messer schon einmal gesehen haben.
    Harry
Josephs (50) war verheiratet und wohnte im Port Meadow Drive, Wolvercote. Er
hatte als Offizier in einer Kommandoeinheit der Marine gedient und war in
Malaysia eingesetzt gewesen. Bis vor zwei Jahren war er beim Finanzamt in
Oxford tätig. Er hatte keine Kinder. Die Leichenschau ist auf Montag nächster
Woche festgesetzt worden.
     
    Morse las den Artikel rasch noch einmal durch.
Es gab da ein paar Punkte, die ihm nicht recht einleuchten wollten.
    «Haben Sie ihn gut gekannt?»
    «Wie bitte?» Die Frau hörte auf zu schrubben.
    «Ich fragte, ob Sie Josephs gut gekannt haben.»
    Regte sich da etwas wie Unbehagen in den braunen
Augen? Hatte sie die Frage vielleicht schon beim erstenmal verstanden?
    «Ja, ich kannte ihn recht gut. Er war
Kirchenältester, das steht ja auch in dem Artikel.»
    Morse wandte sich dem zweiten Ausschnitt zu. Er
war vom Dienstag, dem 4. Oktober.
     
    RÄTSEL BEI DER LEICHENSCHAU
    Die
gerichtliche Untersuchung im Fall H. A. Josephs, der letzte Woche in St.
Frideswide’s erstochen wurde, ist gestern nach zwanzigminütiger Verhandlung
vertagt worden. Dem Gericht wurde eine überraschende Tatsache zur Kenntnis
gegeben. Aus dem Obduktionsbefund geht hervor, daß Josephs’ Mageninhalt eine
tödliche Dosis Morphium enthielt. Unmittelbare Todesursache scheint allerdings
die Stichwunde gewesen zu sein.
    Vorher
hatte Paul Morris, Home Close 3, Kidlington, die Identität des Toten bestätigt.
Er hatte als Organist an dem Gottesdienst teilgenommen und spielte gerade den
letzten Choral, als Josephs ermordet wurde.
    Eine
weitere Zeugin, Ruth Rawlinson, Manning Terrace 14, Summertown, sagte aus, sie
habe während des letzten Chorals Geräusche aus der Sakristei gehört, habe sich
umgedreht und gesehen, wie Josephs am Vorhang zur Sakristei zusammenbrach.
    Chief
Inspector Bell von der

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