Eine Messe für all die Toten
und dessen Sohn
Peter Morris, früher Schüler an derselben Schule und Mitglied des
Kirchenchores, identifiziert worden. Die Polizei bestätigte auch, daß es sich
bei der letzte Woche in einem Schwesternheim in Shrewsbury ermordet
aufgefundenen Frau um Brenda Josephs, die Ehefrau von Harry Josephs, handelte.
Chief Inspector Morse von der Thames Valley Constabulary teilte Reportern heute
mit, daß die Reaktion der Öffentlichkeit auf den Appell der Polizei sehr
ermutigend war und daß die Beweise jetzt fast vollständig vorliegen.> Nein,
das ändern Sie bitte: <...und daß das Beweismaterial mit Ausnahme einer
entscheidenden Zeugenaussage, die in Kürze erwartet wird, lückenlos vorliegt.
Auf jeden Fall rechnet man fest mit einer Verhaftung innerhalb der nächsten
achtundvierzig Stunden.> Ende des Textes. Alles klar? Erste Seite, und eine
fette Schlagzeile, etwa so, als wenn Oxford United gewonnen hätte.»
«Schön wär’s ja», seufzte der Redakteur.
Morse legte auf und wandte sich an Lewis. «Ich
habe einen kleinen Auftrag für Sie. Tippen Sie das und bringen Sie’s am
Südportal von St. Frideswide’s an.»
Lewis las: «Da mit dem Abbröckeln von Mauerwerk
direkt über dem Portal gerechnet werden muß, darf diese Tür bis auf weiteres
keinesfalls geöffnet werden.»
«Kommen Sie wieder her, sobald Sie das erledigt
haben, Lewis, ich habe Ihnen etwas zu sagen.»
Lewis stand auf und tippte auf den Zettel.
«Warum schließen wir die Tür nicht einfach ab?»
«Weil sie nur ein Schloß hat.»
Ausnahmsweise verzichtete Lewis darauf, den
Köder zu schlucken. Er spannte einen weißen Bogen ein und stellte das Farbband
auf Rot.
Der bucklige Polizeiarzt schaute kurz nach drei
in Bells Büro vorbei, wo Morse und Lewis in ernsthaftem Gespräch zusammensaßen.
«Lassen Sie sich nicht stören, Morse. Wollte
Ihnen nur sagen, daß wir mit dem Mann, den Sie auf dem Turm gefunden haben,
nicht viel weitergekommen sind. Mit Bestimmtheit läßt sich da nicht mehr viel
sagen, furchte ich.»
Morse schien weder überrascht noch besonders
interessiert. «Vielleicht werden Sie allmählich zu alt für den Job?»
«Sollte mich nicht wundern, Morse. Wir altern
alle täglich um vierundzwanzig Stunden.»
Ehe Morse sich zu einer Antwort hatte aufraffen
können, war er weg, und Lewis war froh, daß die Unterbrechung so kurz gewesen
war. Ausnahmsweise wußte er einmal ganz genau (ziemlich genau jedenfalls), was
lief und warum es lief.
Kurz nach halb fünf bog ein Zeitungsjunge auf
seinem Rennrad mit nach oben gebogenem Lenker (eine der verrückteren
Modeerscheinungen) in die Manning Terrace ein. Ohne abzusteigen, nahm er eine Oxford
Mail aus der Leinentasche, die er sich über die Schulter gehängt hatte,
faltete sie geschickt mit einer Hand, radelte zur Tür von Nummer 7 und steckte
sie durch den Briefkastenschlitz. Die nächsten vier Kunden waren alle auf der
rechten Seite, beginnend mit 14 A, wo Ruth Rawlinson gerade vom Einkäufen
zurückkam und den Sicherheitsschlüssel ins Schloß steckte.
Sie nahm dem Jungen die Zeitung ab, klemmte sie
sich unter den rechten Arm und ging mit den zwei schweren Einkaufstüten ins
Haus.
«Bist du das, Ruthie?»
«Ja, Mutter.»
«Ist die Zeitung gekommen?»
«Ja, Mutter.»
«Bring sie mit, Liebes.»
Ruth stellte ihre Einkaufstüten auf den
Küchentisch, hängte ihren Regenmantel über einen Stuhl, ging ins Wohnzimmer,
beugte sich vor und küßte ihre Mutter auf die Wange, legte ihr die Zeitung in
den Schoß, stellte die Gasheizung höher, hätte um ein Haar eine Bemerkung über
das Wetter gemacht, fragte sich, warum sie noch nicht verrückt geworden war,
dachte daran, daß morgen Mittwoch war... Mein Gott, wie lange hielt sie das
alles noch aus? Ihre Mutter — und ihn? Besonders ihn. Gegen ihre Mutter war
kaum etwas zu machen, aber gegen ihn... Sie würde nicht hingehen, sehr einfach.
«Ruth! Komm mal her und lies», sagte ihre
Mutter.
Ruth las den Artikel auf der ersten Seite. Nein,
das durfte nicht wahr sein...
Der Mann auf dem bequemen Sofa mit dem
Chintzbezug war nicht überrascht von den Fakten, die der Artikel auf der ersten
Seite enthielt. Was ihm zu schaffen machte, waren die Folgerungen. Er las den
Artikel viele, viele Male, und immer wieder blieb sein Blick an den Worten
hängen «...und daß mit Ausnahme einer entscheidenden Zeugenaussage, die in
Kürze erwartet wird, das Beweismaterial vorliegt. Auf jeden Fall rechnet man
mit einer Verhaftung innerhalb der
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