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Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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wird mal mehr Frauen ins Verderben stürzen als die Pest.« Ich hoffte, er würde ein guter Sohn sein und mir ein paar davon zeigen. Seine Wimpern waren länger als die von Utsch und Edith zusammen.
    »Warum hast du deinen Kindern solche amerikanischen Namen gegeben?« fragte Edith Utsch.
    »Sie sind einfacher«, sagte Utsch, »und die Jungen mögen sie. Welches Kind in Amerika will einen Namen wie Helmut oder Florian?«
    »Ich liebe italienische Namen«, sagte Edith. »Nachdem ich mein erstes Fiordiligi genannt habe, mußte ich das zweite einfach Dorabella nennen.«
    »Es hätte Dante geheißen, wenn es ein Junge gewesen wäre«, sagte Severin. »Aber ich bin froh, daß es Mädchen sind. Jungen sind solche Scheißegoisten.« Er versuchte ständig, die Mädchen zum Lesen zu bewegen. »Ihr müßt gescheit sein«, sagte er ihnen, »und ihr müßt lieb sein. Aber wenn ihr lieb seid und nicht gescheit, dann machen euch die andern unglücklich.«
    »Ich liebe alles Italienische«, sagte Edith.
    »Du bist nie dort gewesen«, erinnerte Severin sie. Und zu uns: »Edith wird am meisten von Dingen angezogen, die ihr nicht vertraut sind.«
    »Stimmt nicht!« sagte Edith. »Und wenn ich mit etwas vertraut bin, werfe ich es dann etwa weg?«
    »Wart's ab«, sagte Severin. Natürlich sah er dabei mich an, aber ich hielt den Blick auf Jack und Bart gerichtet. Mich beeindruckte, daß zwei Menschen, die ich so sehr liebte, so verschieden sein konnten.
    »Wen wundert's?« sagte Edith.
    »Nein«, wandte Utsch ein. »Es gibt immer einen, den du mehr liebst.«
    »Siehe da«, sagte Severin Winter, »wir stolpern mal wieder auf geistige Tiefen zu.«
    Nun ja, er konnte witzig sein. Aber auf wessen Kosten?
    »Er ist gar nicht grausam«, sagte Edith einmal; sie war wütend. »Du solltest einfach aufhören zu versuchen, ihn zu verstehen. Ich versuch es nicht mehr, und jetzt genieß ich es viel mehr mit ihm. Ich hasse es, daß Männer das Gefühl haben, sie müßten alles verstehen.« Es deprimiere sie, sagte sie, daß Severin und ich nie Freunde sein würden.
    Auch ihre Schriftstellerei ging neue Wege. Abwege, wie ich fand, aber sie verteidigte sich mit erstaunlicher Ruhe. Anfangs war sie auf meine Kritik eingegangen; jetzt schien sie selbständig loszugehen, und ich hatte das Gefühl, das sei seiner Gehirnwäsche zuzuschreiben - seinem Fliegengewichts-Theoretisieren, seinen abfälligen Bemerkungen über sogenannte historische Romane.
    Ich hörte Severin oft seinen Ringern sagen: »Wenn ihr nicht aus der Unterlage kommt, könnt ihr nicht gewinnen.« Aber das ist eine andere Geschichte.
    Ich erinnere mich an einmal, als wir vier bei den Winters übernachteten - auch alle Kinder. Wir zerrten Matratzen ins Fernsehzimmer und deponierten die Kinder dort, wo sie die ganze Nacht über von diversen Spätfilm-Schrecken hypnotisiert sein würden; sie aßen die ganze Nacht Kartoffelchips. Am anderen Morgen konnten wir Severin nicht finden. Ich war allein in einem der Kinderzimmer; ich war aus irgend jemandes Bett gekrochen, um allein zu schlafen.
    Wir suchten und suchten. Schließlich entdeckte Edith Severin im Fernsehzimmer, alle vier Kinder schlafend um ihn gedrängt, an ihn gezwängt, auf ihn gefläzt. Er war in den frühen Dämmerstunden dort aufgetaucht, als irgendein Spätfilm-Ghul meinen jüngeren Sohn von einer anderen Wirklichkeit überzeugt und sein Geheul die anderen Kinder überzeugt hatte. Severin war von einer der warmen Frauen weggestolpert, hatte sich das nächstbeste Kleidungsstück geschnappt, sich zwischen sie plumpsen lassen und versprochen, bis zum Tagesanbruch nicht wegzugehen. Das Kleidungsstück war Ediths malvenfarbiger Morgenrock, so ein durchsichtiges, geblümtes, knöchellanges Ding. Edith rief uns alle, uns das anzusehen. Die Kinder wachten langsam auf; sie kuschelten und schmiegten sich an ihn, als sei er ein großes Kissen oder ein gutmütiger Hund - und Severin Winter lag in Ediths Morgenrock zwischen ihnen und sah aus wie ein transvestitischer Gewichtheber, der wie eine gutartige Bombe durch das Dach einer Grundschule gefallen ist.
    Wir fuhren unsere Söhne heim, Utsch in Ediths langem Wickelrock, weil sie ihren eigenen nicht hatte finden können.
    »Ich bin sicher, er taucht wieder auf«, sagte ich.
    »Ich weiß noch, wo ich ihn ausgezogen habe«, sagte Utsch, »aber da ist er nicht.«
    Ich fuhr mit einer Hand auf Utschs Bein beziehungsweise Ediths Rock. Vergleiche gefielen mir in jeder Beziehung! Aber das war ein

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