Eine Mittelgewichts-Ehe
habe mich erregt, aber er sagte, er habe sich in diesem Augenblick so allein gefühlt, wie er sich immer fühlte, wenn er masturbierte. Ich habe nie verstanden, warum Männer solche Probleme damit haben.
Zum erstenmal in meinem Leben war ich über mich selbst schockiert. Ich wußte, lieben könnte ich überall. Wir glitten hin und her über den Golf von Korinth. Mein Verlangen war unerträglich. Ich berührte ihn, soviel er mich ließ, und flüsterte, sobald wir wieder im Hotel wären, würde ich ihn zum Kommen bringen, bevor er noch in mir wäre.
Natürlich kriegte er sich dann irgendwann wieder ein. Er fing sich.
Aber sicher! Das tat er immer. Er schmollte immer, wenn wir vier zusammen waren, versuchte Edith und mir Schuldgefühle beizubringen, versuchte Utsch dazu zu provozieren, der ganzen Sache ein Ende zu machen. Utsch bat ihn, ihr zu sagen, was er wolle. Also gut, sagte sie manchmal zu ihm, wir machen Schluß, wenn es das ist, was du willst, aber du mußt etwas sagen. Aber er war wie ein Stein, und sie wußte, was sie tun mußte, um ihn da herauszureißen. Natürlich; das wollte er ja gerade! Warum erkannte sie das nicht? Wie schaffte er es bloß, Selbstmitleid so anziehend zu machen.
»Wenn er eine seiner Launen hat«, sagte Utsch, »ist das einzige, was ich tun kann, ihn da rauszuvögeln.«
Ich beklagte mich bei Edith, aber sie sagte: »Was ist daran falsch? Du kannst dir keine Gedanken darum machen, was richtig ist, ehe du nicht weißt, was funktioniert.« Aber Sex ist nur ein vorübergehendes Heilmittel.
Wir waren noch eine Stunde von zu Hause weg, beide Frauen schliefen, als Severin anhielt, weil er pinkeln mußte. Utsch wachte auf, als er ausstieg und sich zwischen die kurzen, dunklen, wie Soldaten an den Straßenrand geklotzten Bäume schlug.
Mittlerweile waren wir allein auf der Straße; es war, als ob niemand sonst aus dem Wochenende zurückkäme, als ob man in dieser Gegend kein Wochenende freinähme. Ich weiß nicht genau, wo wir waren.
Als Utsch aufwachte, bat ich sie, sich nach hinten zu Edith zu setzen; ich wollte mit Severin reden. Ich saß schweigend neben ihm, bis ich sicher war, daß sowohl Edith als auch Utsch schliefen.
Jede Kleinstadt hatte eine Kirche, jede Kirche einen erleuchteten Spitzturm. Schließlich sagte ich: »Ich finde, du bestimmst ständig, wo's langgeht. Immer muß sich alles nach dir richten. Wir sind aber zu viert.«
»Ach, du bist's?« sagte er. »Ich dachte schon, Utschs Stimme hätte sich verändert.«
Haha. »Wir treffen einander, als hätten wir uns für einen Kurs eingeschrieben - gleiche Zeit, gleicher Ort. So wie du dir's vorstellst. Wenn du's so haben willst, schön für dich, aber ein bißchen sollte sich's auch nach uns richten, meinst du nicht?«
»Ich habe einen Traum, der kehrt immer wieder«, sagte er. »Willst du ihn hören?«
Ach du heilige Scheiße, dachte ich, aber ich sagte: »Klar, Severin, nur zu.« Ich weiß, daß es in sexuellen Dingen schwierig ist, etwas direkt zu sagen.
»Er dreht sich um meine Kinder«, sagte er. Ich hatte ihn schon hundertmal von ihnen reden hören, fast immer in Ringerbegriffen; er nannte sie seine Schwäche, seine Unausgeglichenheit, seine blinde Seite, sein Hintertürchen, den Mangel in seiner Fußarbeit, die Fehler, die er wieder und wieder machen würde, seine eine falsche Bewegung. Trotzdem konnte er sich nicht vorstellen, keine Kinder zu haben. Er sagte, sie seien sein Ersatz für ein abenteuerliches, entdeckungsreiches Leben. Mit Kindern würde sein Leben immer gefährlich sein; er war dankbar dafür, der perverse Mistkerl! Er sagte, seine Liebe zu Edith sei beinahe rational (eine Definitionsfrage, nehme ich an), aber es habe nichts Vernünftiges, wie er seine Kinder liebe. Er sagte, Menschen, die keine Kinder hätten, seien naiv, was die Kontrolle anginge, die sie über ihr Leben hätten. Sie dächten ständig, sie hätten die Kontrolle darüber oder könnten sie erlangen.
Ich beklagte mich darüber, wieviel ihm »Kontrolle« bedeutete; ich wandte ein, daß Leute ohne Kinder einfach andere Sachen fänden, worüber sie die Kontrolle verlieren könnten. »Tatsächlich«, sagte ich, »glaube ich, die Menschen finden, daß Kontrolle in den meisten Fällen eine Last ist. Wenn man die Kontrolle an jemand oder etwas abtreten kann, geht es einem besser.«
Ich habe gesehen, wie seine Ringer ihre Gegner mit kaltem, analytisch forschendem Blick, aus toten Augen, mustern. Einen solchen Blick warf mir Winter zu.
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