Eine Mittelgewichts-Ehe
Obwohl er gegen die Lächerlichkeit seines kontrollierten Verhaltens nicht blind gewesen sein konnte, stilisierte er es hoch.
»Gott bewahre uns vor Idealisten, vor allen wahren Gläubigen«, sagte Edith einmal.
›Gott bewahre uns vor Severin Winter!‹ dachte ich.
Sein Traum, wie er es nannte, war nicht gänzlich fiktiv. Wieder und wieder hing er hinter dem Lastwagen mit den Wassermelonen fest, unfähig zu überholen, sein Leben kontrolliert und manipuliert von dem eigenwilligen, masturbierenden Griechen auf dem Melonenhaufen - der ihn bedrohte, ihn für immer in Schach hielt, seinen ekelhaften Samen und immer mehr von seiner Art in die Luft, auf seine Windschutzscheibe, überallhin spritzte -, bis die unbekümmerte Verderbtheit des Ganzen Severin in seinem Traum zwang, zum Überholen auszuscheren. Aber die Wassermelonen, die der Junge über das überholende Auto hielt, wurden plötzlich zu Severins Kindern, und Severin Winter sah - zu spät, um folgsam wieder in die Spur hinter dem Lastwagen einzuscheren -, wie seine Kinder auf ihn herabgeschleudert wurden und an der Windschutzscheibe zerplatzten.
»Wie ist das als Traum?« fragte er.
›Wie ist das als Hintertürchen?‹ dachte ich. ›Wie ist das als Mangel in der Fußarbeit? Wie ist das als falsche Bewegung?‹
»Gott bewahre uns alle«, murmelte ich. Er hatte die Armaturenbeleuchtung wieder ausgemacht, aber ich wußte, daß er lachte. Eigentlich wollte ich sagen, erspar mir die Allegorie, halt dich einfach an die Fakten. Wer kontrolliert das hier? Wir alle oder bloß du?
Das Auto hielt; wir waren zu Hause.
»Ich würde dir ja die Wahl lassen, wen du gern vom Rücksitz nehmen möchtest«, sagte Severin, »aber da ist die Peinlichkeit mit der Babysitterin, und ich will so schnell wie möglich die Kinder sehen.«
»Wir müssen uns wirklich mal zusammensetzen und reden«, sagte ich.
»Klar, jederzeit«, sagte er mir.
Ich kroch hinten hinein, um Utsch zu wecken, aber sie war wach. Ich sah sofort, daß sie unser ganzes Gespräch über wach gewesen war; sie sah erschrocken aus. Ich stupste Edith sanft, als ich rückwärts vom Sitz rutschte, und küßte sie über dem Ohr aufs Haar, aber sie schlief fest.
Als Utsch zu Severin hinging, schüttelte er ihr die Hand - seine Art zu untertreiben? Utsch wollte geküßt werden. Er sagte: »Schlaft euch ordentlich aus. Wir können den ganzen Kram später auseinanderklamüsern.«
Ich wußte, daß der Wirrwarr mit unseren Sachen - Ediths Kleider in meinem Koffer, Utsch, die ihre Handschuhe bei ihnen liegenließ - ihn wirklich auf die Palme brachte. Eines Morgens, erzählte mir Edith, habe er seine Schublade aufgemacht und eine meiner Unterhosen hervorgezogen. »Das sind nicht meine«, sagte er entrüstet.
»Ich heb halt auf, was ich rumliegen sehe«, sagte Edith fröhlich.
»Das sind seine!« röhrte er. »Kann er seine Scheißunterhosen nicht im Auge behalten? Muß er seine gottverdammte Wäsche hier rumliegen lassen?«
Er dehnte meine Unterhose, spannte den Gummizug so weit, daß wir beide hineingepaßt hätten, zerknüllte sie dann zu einem Knäuel und kickte sie in eine Ecke. »Die lassen ihre Sachen absichtlich liegen, damit sie einen Vorwand haben, um wiederzukommen. Sie macht das auch«, grollte er.
Edith wurde einfach nicht schlau aus ihm. Sie brachte die Unterhose an diesem Morgen - Utsch - zurück. Sie und Utsch fanden es sehr komisch. Nicht lange danach zog ich an, was ebendiese Unterhose gewesen sein muß. Etwas stimmte nicht; der Zwickel war mit einer Rasierklinge durchgeschlitzt, so daß ich darin aussah wie in einem grotesk kurzen Rock. Ich schlackerte sozusagen ungehindert.
»Utsch?« sagte ich. »Was ist mit meiner Unterhose passiert?« Sie sagte mir, es sei die, die Edith zurückgebracht habe. Später fragte ich Edith, ob sie sie zerschnitten habe - vielleicht aus Jux? Aber das hatte sie natürlich nicht. Es war kein Jux; das war er. Er gehörte nicht zu denen, die es mit subtilen Symbolen haben.
»Zum Teufel mit ihm!« schrie ich Utsch an. »Was will er? Wenn er Schluß machen will, warum sagt er's dann nicht? Wenn er so gottverdammt viel leidet, warum macht er dann weiter? Ist er gerne ein Märtyrer?«
»Bitte«, sagte Utsch sanft. »Wenn jemand Schluß macht, das wissen wir doch, dann er.«
»Er nimmt uns auf den Arm«, sagte ich. »Und er testet Edith und mich - das ist es. Er ist so eifersüchtig, daß er annimmt, wir können gar nicht Schluß machen, also schaut er, wieviel wir uns
Weitere Kostenlose Bücher