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Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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wirklich nichts ausmacht - bloß daß ich ihr leid tue, daß mir so etwas passiert. Sie ist ein liebes kleines Mädchen, muß ich dir sagen.«
    »Inwiefern haben Sie gelogen?«
    »Ich sehe zu, wie sie in dieses Kuddelmuddel mit diesen zwei Kerlen gerät. Ich denke, einmal bringe ich sie beide um! Ich denke, ein andermal bringe ich dich um«, sagte er, »aber sie hat dich so erwischt - ich sehe es. Sie hat mich auch so erwischt.«
    »Sie sind in sie verliebt?«
    »Ja«, würgte er, »aber es ist aus, vorbei! Und du sag ihr lieber nie ein Wort davon, oder ich krieg dich, egal wo du wohnst. Und wenn's in Oklahoma ist«, sagte er, »ich finde dich und reiß dir die Augen raus.«
    »Oklahoma?«
    »Ist doch egal!« weinte er. »Ich paß auf sie auf. Kudaschwili selber kann's nicht besser! Er sagt einmal zu mir, er gibt jede Minute auf sie acht, bis sie den richtigen Mann heiratet, und ich sage: ›Was machst du, wenn sie sich in den falschen Mann verliebt?‹ Und er sagt: ›Ihn umbringen, natürliche Jetzt ist da eine Liebe, die ist ziemlich stark, muß ich dir sagen.«
    »Liebe?« sagte ich.
    »Ja!« brüllte er wild. »Was weißt du schon davon? Alles, was du willst, ist ficken!«
    Er riß sich zusammen, glättete seinen Anzug und steckte sich das Hemd richtig hinein. Ich hatte mich getäuscht; ich sah die Pistole, als er sich die Krawatte geradezog. Sie hatte einen beinernen Kolben, der plump aus einem hochsitzenden Schulterhalfter aus grünem Leder ragte.
    »Wenn du ihr jemals von mir erzählst«, sagte er, »höre ich es durch die ganze Welt. Wenn du nicht gut auf sie aufpaßt, fühle ich meinen Pistolenhahn, ich fühl es in meinen Lungen. So wie ich fühle«, sagte er, »kann ich träumen, daß du stirbst, und es dazu kommen lassen.«
    Ich glaubte ihm; ich denke, ich glaube ihm immer noch. Als er an mir vorbei zur Tür ging, versuchte das längliche Deckenlicht vergebens, sein grausiges Loch zu durchdringen.
    »Auf Wiedersehen«, sagte ich. »Und danke, daß Sie sich um sie gekümmert haben.«
    Ich muß nicht vertrauenswürdig ausgesehen haben, denn plötzlich schien er mich überzeugen zu müssen. Er ging, alle Wasserhähne voll aufdrehend, die Reihe der Waschbecken hinunter, dann, alle Spülungen ziehend, die Reihe der Klos hinauf. Er zog auch die Spülung des langen Urinbeckens, und das Herrenzimmer toste vom Rauschen des Wassers. Als er seine Pistole zog, dachte ich, ich würde gleich in Benno Blums furchteinflößende Statistik eingehen.
    »Stell die Rasierschaumdose hin«, befahl er. Ich stellte sie auf das Waschbecken neben mich; er zielte rasch und pustete sie kreiselnd die Waschbecken entlang; sie landete im letzten und kullerte, ein Loch säuberlich mittendurch gebohrt, im Ausguß. Was von dem Rasierschaum übrig war, sprudelte, quoll dann und tröpfelte schließlich aus dem Loch. Eine nach der anderen hörten die Toiletten zu rauschen auf; einen nach dem anderen drehte er die Hähne an den Waschbecken zu, während die Rasierschaumdose weiterblutete.
    »Auf Wiedersehen«, sagte er. Er schloß die Tür hinter sich. Als ich in den langen Gang hinauslinste, war er verschwunden. Kein Heinrich, kein Willi, keine Utsch, die ihn hätten gehen sehen.
    Zurück in Utschs Zimmer, umarmte ich sie, sagte ihr, ich würde sie nie verletzen, sagte ihr, bei mir würde sie immer sicher sein. »Ich werde mit dir zusammenleben«, sagte sie. »Aber ich lasse mich nicht von dir bewachen.« Ich ging nicht weiter darauf ein.
    Es blieb nur noch ein Letztes zu tun. Wir mieteten ein Auto, und ich fuhr Utsch nach Eichbüchl, dem Städtchen, in dem sie geboren wurde - zweimal, sozusagen. Sie war nicht dort gewesen, seit Kudaschwili sie von dort mitgenommen hatte.
    Am Rand von Wiener Neustadt, wo Utschs Vater bei der Sabotage von Messerschmitts erwischt worden war, fuhren wir an der riesigen, unberührten Ruine des Messerschmitt-Werkes vorbei. Stacheldraht umgab sie. In diesem Schutt herumzumurksen war verboten, weil dort so viele Bomben abgeworfen worden und nicht alle davon losgegangen waren. Zwei- bis dreimal im Jahr explodierte eine; wahrscheinlich lösten Katzen und Eichhörnchen und streunende Hunde sie aus. Man befürchtete, daß Kinder, wenn das Gelände nicht eingezäunt wäre, dort spielen und sich selbst in die Luft jagen würden. Die Ruinen einzuebnen war eine langwierige und riskante Arbeit; es war keine Sache für Bulldozer. Das große Gerippe stand so leblos am Straßenrand wie ein abgewracktes Schiff. Draußen vor der

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