Eine Mittelgewichts-Ehe
deine Scheißknochen brechen!« Aber Severin zog sich aus dem Becken und bot ihr ein größeres, unbewegliches Ziel. Sie begann ihn mit Fäusten zu schlagen, zu treten, zu kratzen; sie biß ihn in die Schulter und hätte die Zähne in seine Kehle geschlagen, hätte er ihr nicht mit seinen starken Fingern den Mund aufgezwängt und sie auf Armeslänge von sich gehalten. Sie biß ihn tief in die Daumen; er nahm seine Schenkel zu Hilfe, um sich vor ihren Tritten zu schützen, aber sie erinnert sich noch an die Blutspritzer. Sie hatte die Tiroler Stiefel an, die er ihr geschenkt hatte, und quetschte ihm damit die Zehen. Sie trat und biß und schlug, so hart sie konnte, bis sie zu erschöpft war, die Arme noch weiter zu schwingen. Sie schmeckte das Blut von seinen Daumen im Mund. Sie sah zu, wie ihm die Tränen übers Gesicht strömten - oder war es bloß Wasser aus dem Becken? Ihr wurde klar, daß sie das tat, was er am meisten von ihr wollte, und daß er, wenn sie ihn ins Becken zurückstieße, wahrscheinlich dankbar ertrinken würde. Sie konnte nicht ertragen, was er ihr angetan hatte, aber sein offenkundiges Schuldbewußtsein erfüllte sie mit noch größerem Abscheu.
Auf ihrer schweigenden Nachhausefahrt sagte sie ihm, daß sie ihm nie mehr erlauben würde, die Kinder zu sehen, daß er sie würde anflehen müssen, wenn er auch nur ein Foto von ihnen sehen wollte. Er schluchzte. Ihr wurde klar, wie hilflos er war, und wegen der schrecklichen Macht, die sie über ihn hatte, kam sie sich niederträchtig vor; derentwegen war sie grausam, aber derentwegen hatte sie auch das Gefühl, daß sie ihn lieben mußte. »Du hast mich schrecklich durcheinandergebracht«, sagte sie ihm.
»Ich habe mich selber schrecklich durcheinandergebracht«, sagte er, was sie in Wut brachte. Sie kratzte ihn langsam und tief über eine Wange; sie zog Blut; er verzog kein bißchen das Gesicht. Sie war entsetzt, daß sie das tun konnte, und noch entsetzter, daß er sie ließ. »Die ganze Sache hat mir eine fürchterliche Verantwortung auferlegt«, sagte sie mir.
Wochenlang dachte sie daran, ihn zu verlassen, überlegte hin und her, versuchte ihn zu verletzen, versuchte ihm zu verzeihen - und er nahm alles hin. »Er wurde entseverint«, sagte sie. Er war ihr vollkommen ausgeliefert, außer als sie gegen Audrey Cannon zurückschlagen wollte. Da sagte er dümmlich: »Ich habe sie geliebt. Gleichzeitig habe ich dich geliebt.«
Was für ein Melodrama.
Eines Nachts sagte Edith, sie würde Audrey Cannon anrufen. Als sie den Hörer abnahm, drückte Severin die Gabel herunter; Edith drosch mit dem Hörer auf seine Finger ein, schlug ihm eine blutige Nase und schlang das Telefonkabel um seinen Hals. Aber Severin Winter konnte man nicht erdrosseln, nicht diesen dicken Hals. Er machte keine Anstalten, sich zu schützen, aber er wollte sie nicht anrufen lassen.
»Was wolltest du denn tun?« fragte ich ihn. »Wenn Edith euch nicht erwischt hätte, wo hätte es dann geendet?« Edith hatte ihn gerettet, und das wußte er. Er mußte die ganze Zeit gewollt haben, daß sie ihn erwischte. Wie seltsam es ihm vorgekommen sein muß, in einer Situation zu sein, wo er völlig passiv war.
Audrey Cannon zog in die Stadt und pendelte zu ihren Lehrveranstaltungen; sie kündigte an, daß sie ihre Stelle an der Universität nur so lange behalten würde, wie sie brauchte, um etwas anderes zu finden. Obwohl ich erfahren habe, daß sie gelegentlich im Ort auftaucht, hat niemand sie mir je gezeigt. Sowohl Edith als auch Severin sagen, sie hätten sie nie gesehen.
Lange nachdem Audrey Cannon zuletzt nackt im Universitätspool geschwommen war und kurz bevor sie uns kennenlernten, schliefen Edith und Severin wieder miteinander. Sie drosch ihm den Rücken voll, zog ihn an den Haaren und trommelte mit ihren harten Fersen auf ihn ein, aber sie liebte ihn wieder. Hinterher lag sie weinend da und sagte ihm, sie könne ihm das lange Alleinsein nie verzeihen, unter dem sie gelitten hatte, während sie wachlag und sich vorstellte, wie stark die Leidenschaft für diese verkrüppelte Tänzerin war, die einen ehrlichen Mann zum Lügen getrieben hatte.
Erst nachdem sie wieder miteinander schliefen, sagte ihm Edith, daß sie es ihm heimzahlen würde. »Ich werde mir einen Liebhaber zulegen«, sagte sie, »und ich werde es dich wissen lassen. Ich will, daß du verlegen bist, wenn du mit mir schläfst, und dich fragst, ob ich mich langweile, ob er es besser kann. Ich will, daß du dir
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