Eine Mittelgewichts-Ehe
vor. »In eine Doppel-Vorstellung«, fügte sie hinzu. Severin starrte auf seine Hände.
Dann schrie Utsch Severin auf deutsch an; er murmelte: »Es tut mir leid.« Aber Utsch hörte überhaupt nicht mehr auf. Ich nahm Severin beim Arm und brachte ihn dazu, aufzustehen, während Edith Utsch auf unser Schlafzimmer zuführte. Nach einer Weile hörten wir die beiden darin weinen. Die Sprache, in der sie redeten, war seltsamer als Englisch oder Deutsch.
Severin stellte sich vor unsere Schlafzimmertür. »Utsch?« rief er. »Es ist besser, wenn wir uns eine Weile nicht sehen. Dann wird es viel leichter.«
Es war Edith, die die Tür aufmachte. »Vergiß, was du meinst«, fauchte sie ihn an. »Wenn du bloß aufhören würdest zu versuchen, das so wie bei den Ullmans zu machen. Es ist nicht das gleiche.« Sie knallte die Tür zu.
»Wer sind die Ullmans?« fragte ich Severin, aber er schob sich an mir vorbei und ging nach draußen.
»Ich muß in die Ringerhalle«, sagte er mir. »Ich nehme nicht an, daß du mitkommen willst.« Das klang nicht wie eine Einladung. Mir machte zu schaffen, daß zumindest Edith und Utsch miteinander reden konnten.
»Wer waren die Scheiß-Ullmans?« schrie ich ihn an.
»Die Scheiß-wer?« fragte er.
»Severin«, sagte ich. »Angenommen, das, was zwischen dir und Edith nicht stimmt, hört nicht auf; angenommen, nicht wir machen alles schlimm, sondern bloß du oder etwas anderes. Was dann?«
»Zwischen mir und Edith stimmt alles«, sagte er im Weggehen; er ließ das Auto für Edith stehen.
»Ich kann nicht hierbleiben«, sagte ich. »Sie wollen allein sein. Ich komme mit dir.«
»Wie du willst.«
Für einen kurzbeinigen, stummeligen Mann ging er schnell. Auf halbem Wege zur Sporthalle war ich außer Atem; ich dachte daran, daß seine Lungen mehr als seinen Anteil an Luft einsaugten - Luft, die andere Leute gebrauchen konnten.
»Womit hast du sie geschlagen?« fragte ich. Das lila Mal in Ediths Gesicht war fast ein Rechteck, zu groß, um von einer Faust abgedeckt werden zu können. Ich glaubte nicht, daß Severin Winter jemanden mit offener Hand schlagen würde.
»Es war halt irgendwas, was im Schlafzimmer herumlag«, sagte er.
»Was?«
»Ein Buch«, sagte er. Natürlich; man überlasse es getrost ihm, eine Schriftstellerin mit etwas zu schlagen, was weh tut.
»Was für ein Buch?« fragte ich.
»Irgend so ein Buch halt«, sagte er. »Ich hab's bloß benutzt. Ich habe mich nicht damit aufgehalten, es zu lesen.«
Wir waren bei der Sporthalle; ich hatte nicht die Absicht, tatsächlich hineinzugehen. Zwei von Severins Ringern kamen auf uns zu. Ich erkannte ihren hüftlosen, hinternlosen, krummbeinigen Gang, und ihre Schultern krümmten sich ungeschlacht über ihre Ohren wie Joche an Ochsen.
»Sind die Ullmans vor oder nach Audrey Cannon gekommen?« fragte ich.
»Du hast kein Recht auf irgendwas, was dir nicht aus freien Stücken mitgeteilt wird«, sagte er zu mir.
»Um Gottes willen, Severin. Das wird Edith und Utsch schrecklich aufregen!«
»Wenn wir weitermachen, könnte es sie noch mehr aufregen«, sagte er.
Die Ringer schlossen sich uns an. Einer von ihnen - dieser Tölpel Bender - gab Severin einen affigen Schlag auf den Rücken, einen Hieb mit seiner katzenschnellen Pranke. Der Grinsende mit den Pavianarmen war Iacovelli. Er war in meiner Vorlesung Einführung in die europäische Geschichte‹, und ich hatte ihm einmal sagen müssen, daß die Dordogne ein Fluß in Frankreich war; Iacovelli hatte gedacht, es sei der Name eines Königs. Dordogne der Erste, nehme ich an.
»Tag, Trainer«, sagte Iacovelli. »Hallo, Herr Doktor.« Er war einer von denen, die dachten, ein Dr. phil. sei seltener als die Admiralswürde, aber eigenartigerweise wußte er nicht, daß Severin Winter auch einen hatte.
»Ich ruf dich an«, sagte ich Severin.
»Ja«, sagte er. Während ich zusah, wie er, flankiert von seinen Ringern, auf die Sporthalle zustrebte, konnte ich es mir nicht verkneifen zu rufen: »Ich weiß, wessen Buch es war. Es war meins !« Ich hatte Edith kürzlich ein Exemplar meines ersten historischen Romans gegeben, von dem über das von der Pest ausgelöschte französische Dorf; es war schon lange vergriffen und das einzige von mir, das Edith noch nicht gelesen hatte. Wir hatten über unseren frühen Stil gesprochen, und ich hatte gewollt, daß sie meinen ersten Versuch sah. Was für ein Buch, um jemanden damit zu schlagen! Über vierhundert Seiten, eine schwere Waffe. (Später
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