Eine Mittelgewichts-Ehe
hinwegzukommen. Der Film war absolut humorlos, was diesen Mist anging, den das Publikum sehr ernst nahm - alle außer Utsch. Sie wußte ein bißchen was vom Überleben und fing gleich bei der ersten bedeutungsvollen Abschlachtszene an zu lachen.
Jack flüsterte: »Warum ist das komisch?«
»Weil es nicht stimmt«, sagte ihm Utsch.
Ziemlich bald fing Jack jedesmal zu lachen an, wenn seine Mutter anfing, und Bart, der an Cartoons gewöhnt war, lachte mit ihnen. Ich fühlte mich mies, aber ich lachte lauter als sie alle. Wir waren uneins mit dem Publikum; eine gewisse Feindseligkeit drang zu uns durch, besonders während der komischsten Szene des Films. Ich mußte mit Bart auf die Toilette gehen und verpaßte deshalb etwas davon, aber in dem Teil, den ich sah, ist Robert im Begriff, die Tür eines alten Holzschuppens aufzumachen. Das dauert lange, so daß das Publikum die steigende Spannung aufnehmen kann. Der Zuschauer weiß, daß hinter der Tür des Holzschuppens eine verrücktgewordene Mutter ist, die sich dort seit Tagen mit ihren toten, wie Gemüse um sich herum gehorteten Kindern versteckt. Es hat ein Indianermassaker gegeben, und die Mutter versteckt sich im Holzschuppen und bringt jeden um, der zur Tür hereinlugt, und zerrt dann die Leichen zu sich herein, um auf weitere Indianer zu warten. Es ist unklar, ob sie oder die Indianer ihre Kinder massakriert haben. Robert ist im Begriff, diese schreckliche Tür aufzumachen, und wir sollen hoffen, daß er mittlerweile genug von Mutter Natur gelernt hat, um sich dabei schlau anzustellen. Das schlaueste wäre es natürlich, die Tür überhaupt nicht aufzumachen, aber es sieht so aus, als würde er es tun.
Ein paar Reihen vor uns versuchten mehrere junge Mädchen im Publikum, Robert zu warnen. Er legt die in Eichhörnchenfell gehüllte Hand auf die Klinke. »Nein, nein«, stöhnten die jungen Mädchen. Aber von einer anderen Stelle des Kinos aus blaffte eine andere Stimme: »Los doch! Mach auf, du blöder Hund!« Utsch und die Kinder brachen in Gelächter aus, und ich ebenfalls, obwohl ich diese verrückte Stimme erkannte. Es war natürlich Severin Winter.
Als der Film zu Ende war, trieb ich Utsch und die Kinder zum Auto. Nicht daß ich das Gefühl hatte, wir müßten den Winters in diesem Moment ausweichen; es war bloß so, daß es regnete. »Hör auf, an mir zu ziehen«, sagte Utsch. »Ich mag den Regen.« Aber wir waren in unserem Auto und fuhren weg, als sie mit ihren Kindern herauskamen.
»Ich sehe Fiordiligi!« sagte Jack. »Und Dorabella!« quiekte Bart.
»Mach auf!« schrie Utsch, aber ihr Gelächter machte mich frösteln.
Als die Kinder im Bett waren, sagte Utsch: »Ich werde nicht zusammenbrechen.«
»Soll sie doch der Teufel holen«, sagte ich. »Immer haben sie bestimmt, wo's langgeht.«
»Ach, jetzt sind's auf einmal ›sie‹, was?« fragte Utsch. Dann nahm sie meine Hand und sagte: »Nein, wir werden doch immer noch Freunde sein, oder?«
»Nach einer Weile«, sagte ich. »Klar.«
»Ich weiß, daß es zuerst schlimm sein wird«, sagte sie, »aber es wird doch angenehm sein, einander ohne den Sex wiederzusehen, oder?«
»Ich hoffe es«, sagte ich. »Wir können einfach wieder dazu übergehen, Freunde zu sein.«
»Du blöder Hund«, sagte sie; dann schüttelte sie den Kopf und weinte eine Weile. Ich hielt sie fest. »Wir waren nie Freunde«, sagte sie. »Wir waren bloß Liebhaber, also gibt es nichts, wozu wir wieder übergehen könnten.« Ich dachte an den zottigen Robert, wie er in der ganzen Welt Türen aufmachte, in den Leichen ermordeter Geschöpfe herumtrampelte und sein Gesicht allmählich zu einem Ausdruck stumpfer Ausdauer versimpelte. Und diese sinnlose, blutrünstige Reise mit immer noch einer ungewollten Entdeckung hieß Überleben und wurde für heroisch gehalten.
»Ich weiß nicht einmal, ob wir Liebhaber waren«, heulte Utsch.
»Natürlich wart ihr das«, sagte ich ihr.
»Ich glaube, wir waren bloß Ficker!« sagte sie weinend.
»Nein, nein. Laß dir Zeit. Auf die Zeit kommt es an.«
»Du glaubst, daß Geschichte tatsächlich etwas bedeutet«, sagte Utsch bitter zu mir. Ich fragte mich, wer ihr gesagt hatte, daß das nicht so sei. »Faß mich nicht an«, sagte sie. Dann beruhigte sie sich. »Ich meine, vorläufig nicht.«
Ich zog mich aus. »Ich brauche neue Unterwäsche«, sagte ich, aber sie schwieg. »Warum hast du das getan?« fragte ich sie sanft; ich bedrängte sie nicht.
»Wie hast du zulassen können, daß mir das
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