Eine Nachbarin zum Verlieben
hatte eine Küchenarmatur in der Hand, sie ihre Einkaufsliste. Einen beängstigenden Moment lang vergaß sie vollkommen, was sie überhaupt hier machte.
Doch rasch fand sie ihr inneres Gleichgewicht wieder. Schließlich war das eine völlig andere Situation als gestern Abend. Ritter in strahlender Rüstung hin oder her – die Zeit, in der sie an Märchen geglaubt hatte, war ein für alle Mal vorbei.
Sobald sie sich vom ersten Schock erholt hatte, stellte sie fest, dass alles in Ordnung war. Auf jeden Fall besser als gestern. Und überhaupt war dieser Mann sowieso nur ein zu groß geratenes Kind mit ungepflegtem Äußeren. Solange sie ihm nicht gerade in die Augen sah, spürte sie auch nicht dieses Kribbeln. Und auch nicht den Wunsch, ihm näher zu sein.
Sie versuchte es mit einem unverbindlichen Lachen. „Wir treffen uns wirklich an den unmöglichsten Orten!“
Mike gelang es endlich, sich von ihrem Anblick loszureißen. Er hob die Schachtel hoch, die er in der Hand hielt: „Ich überlege mir, ob ich nicht überall im Haus diese Wasserhähne montieren soll. Solche Einhandmischer sind einfach viel praktischer, besonders für kleine Jungs. Für große Jungs natürlich auch.“
„Da haben Sie allerdings recht. Aber so weit bin ich noch lange nicht, das hebe ich mir für später auf. Erst brauche ich einmal eine Grundausstattung. Bisher habe ich ja in der Stadt gewohnt und hatte weder Haus noch Garten. Dafür eine Telefonnummer vom Hausmeister. Das war einfacher.“
„Ich weiß, was Sie meinen. An Werkzeug habe ich zwar das eine oder andere, aber die Gartenausrüstung fehlt mir auch noch völlig.“
Gut, den Small Talk hatten sie damit also hinter sich gebracht. Jetzt ging es ans Eingemachte. Sie holte tief Luft. „Hören Sie, ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken kann für das, was Sie gestern für mich getan haben. Es wäre wirklich nicht nötig gewesen, dass Sie auch noch die Wand fertig streichen und hinterher aufräumen. Besonders, weil ich Sie vorher auch noch vollgeheult habe.“
„Ja, das war wirklich schrecklich. Machen Sie das nie wieder.“
Sie erschrak über seine Worte, bis ihr klar wurde, dass er scherzte. Sein entwaffnendes Lächeln nahm ihr den Wind aus den Segeln, und schlagartig fühlte sie wieder seine magische Anziehungskraft. „Auf jeden Fall schulde ich Ihnen etwas.“ Sie konnte nur hoffen, dass ihre Stimme einigermaßen normal klang.
„Ach was. Das war doch selbstverständlich!“
„Ich habe mir gedacht, ich könnte Ihnen als kleine Entschädigung vielleicht eine selbst gemachte Lasagne vorbeibringen …“
„Also, wenn das so ist, habe ich meine Meinung gerade geändert … Natürlich stehen Sie knietief in meiner Schuld.“
Beide mussten lachen.
„Dann darf ich also davon ausgehen, dass Sie Lasagne mögen“, stellte Amanda zufrieden fest. „Okay, das wäre geklärt. Würde Ihnen morgen Nachmittag passen, so gegen fünf Uhr?“ Sie legte die Hände an den Griff des Einkaufswagens, als wolle sie ihren Einkauf fortsetzen, aber dann packte sie doch die Neugier. „War das Ihre Mutter, die Teddy heute abgeholt hat?“
„Ja. Meine Eltern sind ganz begeistert, dass wir dieses Haus gekauft haben und in ihre Nähe gezogen sind. Teddy ist nämlich ihr erstes Enkelkind.“
Amanda schob ihren Einkaufswagen ein paar Zentimeter vorwärts, als hätte sie die kluge Absicht, den Small Talk endlich zu beenden und sich wieder ihren Einkäufen zuzuwenden.
Doch irgendwie schien es, als wären ihre Füße am Boden festgewachsen. Zumindest vorläufig. Amanda konnte sich eine zweite neugierige Frage nicht verkneifen. „Und was ist mit Teddys Mutter?“ Als Mike erstaunt eine Augenbraue hob, verteidigte sie sich eilig: „Ich weiß, eigentlich geht mich das überhaupt nichts an. Aber da wir doch Nachbarn sind, möchte ich vermeiden, dass ich versehentlich etwas sage, mit dem ich Ihren Sohn verletzen könnte …“
„Ich verstehe.“ An seinem Gesichtsausdruck sah sie, dass er verstanden hatte. Nämlich, dass sie schlicht und einfach neugierig war. Trotzdem antwortete er: „Im Augenblick habe ich das alleinige Sorgerecht für Teddy. Meine Exfrau hat noch nicht wieder geheiratet, aber das wird sie bald.“ Auf seiner Stirn bildete sich eine sorgenvolle Falte. „Um die Wahrheit zu sagen, Teddy ist komplett von der Rolle wegen seiner Mutter. Er versteht einfach nicht, wieso sie plötzlich weg ist. Er scheint zu glauben, dass sie ihn verlassen wollte, nicht mich.“
Amanda sah betroffen
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