Eine Nachbarin zum Verlieben
wollte dich wirklich nicht verletzen, aber ich flehe dich an, nenn Molly bitte nicht immer Prinzessin. Mom …“
Der Fuß verschwand. Mike hörte einige Male ein leises Klirren von Glas auf Glas, als hätte sie etwas eingeschenkt und danach Glas und Flasche auf einem Glastisch abgestellt.
„Ich weiß, du hast zu mir auch immer Prinzessin gesagt. Und du warst eine tolle Mutter. Die beste. Und Dad war auch ein wunderbarer Vater. Aber ihr beide habt mich viel zu sehr verwöhnt, mir immer alles abgenommen, alles Negative von mir ferngehalten. Und genau deshalb ist es mir so wichtig, Molly zu einem selbstständigeren Menschen zu erziehen, als ich selbst es bin.“
Überraschend tauchte der Fuß wieder auf, plötzlich mit dunkelroten Zehennägeln. Mike staunte. Sie schenkte ein und trank, führte ein ernsthaftes Gespräch mit ihrer Mutter, und gleichzeitig lackierte sie sich noch die Fußnägel. Frauen waren um ein Vielfaches Multitasking-fähiger als Männer, das musste er wohl anerkennen. Wenn auch nicht ganz neidlos.
„… das habe ich auch nicht gemeint, Mom. Ich will nur sagen … dass mir bestimmte Fähigkeiten fehlen. Wichtige Fähigkeiten. Ich habe noch nie Rasen gemäht, und ich habe keine Ahnung, wie ich ein Regal aufhängen soll. Oder auch nur ein Bild.“
Amanda stöhnte theatralisch. „Ich weiß, wie ich mich im Theater, bei einer Vernissage oder auf einem Ball zu benehmen habe, aber Männern gegenüber war ich vollkommen naiv. Thom hat mich kalt erwischt. Er hat mich vor meinen Augen betrogen, und ich war zu dumm, um es zu merken. Mom, ich weiß, dass ich nicht dumm bin. Aber nur weil ich eine gute Schülerin war, heißt das nicht, dass ich auch mit den alltäglichen Dingen des Lebens zurechtkomme. Und ich habe den Verdacht, dass mir da viele meiner früheren Mitschüler trotz schlechterer Schulnoten weit voraus sind.“
Jetzt erschien auch der zweite Fuß, ebenfalls mit perfekt lackierten Zehennägeln. Sie trank Rotwein, stellte er fest, als in dem etwa zehn Zentimeter hohen Spalt zwischen dem Boden und dem Sichtschutz eine Flasche auftauchte.
„Nein, nein! Ich hatte die wundervollste Kindheit, die man sich vorstellen kann. Wirklich. Aber die Zeiten haben sich geändert. Frauen müssen heute selbstständiger sein als früher. Molly kann nicht darauf warten, dass ein Märchenprinz in glänzender Rüstung zu ihrer Rettung eilt, wann immer sie vor irgendeiner Herausforderung steht. Und sie soll nicht denken, dass sie zum Leben – und zum Glücklichsein – einen Mann braucht.“
Einige Zeit war es ruhig, und Mike überlegte, ob er sich bemerkbar machen sollte, als es plötzlich weiterging: „Aber das habe ich doch gar nicht gemeint, Mom. Mom! Gut. In Ordnung. Ich gebe auf. Dann bezahlst du ihr in Gottes Namen eben diese Reitstunden. Aber untersteh dich und kauf ihr ein Pferd! Das ist mein Ernst!“
Nun hatte es doch den Anschein, als wäre das Gespräch beendet, da Mike von der Nachbarterrasse eine Reihe von gar nicht so leise gemurmelten Schimpfwörtern hörte.
Endlich bekam er die Chance, sich für das Bier zu bedanken. Er packte sie beim Schopf. „Hi. Danke für das Bier.“
Es folgte ein Augenblick völliger Stille, dann tauchte seine Nachbarin vor dem Sichtschutz auf.
Anders als in seiner Fantasie war sie nicht vollkommen nackt. Auf ihrem T-Shirt stand Duke University . Vielleicht gehörte es ihr, vielleicht einem Mann aus einem früheren Leben. Jedenfalls war es in noch schlechterem Zustand als sein eigenes Harvard-T-Shirt, falls das überhaupt möglich war. Respekt, Respekt. Das hätte er ihr gar nicht zugetraut.
Dazu trug sie die kürzesten Shorts in der Geschichte der Damenbekleidung. Sie hatte zwar rote Haare, aber diese Beine … oh Mann. Da es aufgrund ihrer Länge einige Zeit dauerte, bis sein Blick bei Amandas Kopf angelangt war, sah er das wütende Funkeln in ihren Augen erst sehr spät.
„Haben Sie etwa gelauscht?“
„Ich?“, versuchte er abzustreiten. „Ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich bin gerade erst herausgekommen, sah das Bier und konnte mir nicht vorstellen, wer außer Ihnen es hier hingestellt haben könnte. Danke noch einmal. Darf ich Ihnen eines anbieten?“
„Nein, natürlich nicht. Oder doch.“
Wow, diese Frau weiß wirklich, was sie will, dachte Mike kopfschüttelnd.
Sie sperrte den weißen Pudel ins Haus, schnappte sich ihr leeres Glas und ihre Weinflasche und stand schneller auf seiner Terrasse, als er sein Angebot zurückziehen
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