Eine Nachbarin zum Verlieben
egal, wie sehr man es zerstörte.
Der dritte Hinweis war die Erkenntnis, warum das Wunderding verwaist in seinem Vorgarten stand: Der Diesel war ausgegangen.
Wie aufs Stichwort bog Amanda in ihre Einfahrt ein und sprang aus dem Wagen. „Hallo, Männer!“, rief sie ihren Nachbarn zu und zerrte einen Kanister aus dem Kofferraum. „Ich befreie euch gleich von dem Ding, mir ist nur der Treibstoff ausgegangen.“
„Amanda? Darf ich darauf sitzen? Bitte, bitte, darf ich?“
„Sicher, Teddy, aber nur, solange entweder ich oder dein Dad dabei sind, in Ordnung?“
„Okay. Ich liebe dich“, erklärte Teddy und kletterte los. Amanda erstarrte, als sie das Wort „Liebe“ hörte, doch statt Teddy sah sie unwillkürlich Mike an.
Mike reagierte genauso. Ihre Blicke trafen sich. Es war einer dieser seltenen Momente völliger Harmonie und Übereinstimmung. Als wären sie die einzigen beiden Menschen im Universum, die ahnten, dass eine Art Lawine auf sie lauerte, die mächtig genug war, um sie mitzureißen und zu zerstören.
Den ganzen Vormittag hatte er sich einzureden versucht, dass ihm das nicht passieren würde. Eigentlich hätte es doch schon reichen müssen, dass sie sich heute Morgen wie eine Hexe aufgeführt hatte. Hatte es aber nicht.
Trotz sämtlicher Debakel von der Überschwemmung bis hin zum fehlenden Diesel war Amanda immer noch Amanda. Ihre Shorts waren farblich perfekt auf ihr Oberteil abgestimmt und hatten nur ganz winzige Falten. Obwohl sie heute den ganzen Tag nur Haus- und Gartenarbeit gemacht hatte, hatte sie Lipgloss aufgelegt und trug filigrane Sandalen und große Ohrringe. Ihre wilde rote Mähne, die wohl schon länger keine Bürste mehr gesehen hatte, glänzte wie flüssiges Kupfer.
Amanda schwankte unter dem Gewicht des Dieselkanisters, doch immerhin hatte sie es geschafft, ihn aus dem Kofferraum zu hieven.
Dabei strahlte sie wie ein Flutlichtscheinwerfer. „Du brauchst mir nicht zu danken“, keuchte sie. „Du hattest etwas bei mir gut. Mir war nur nicht klar, wie viel Diesel ich für beide Grundstücke brauchen würde. Außerdem dauerte es ein bisschen, bis ich das Ding fahren konnte. Kannst du dir vorstellen, dass ich noch nie im Leben Rasen gemäht habe?“
Oh ja, das konnte Mike sich lebhaft vorstellen. Allerdings würde er das besser nicht zugeben, besonders nicht, solange sie immer noch mit dem Kanister kämpfte. „Darf ich dir vielleicht helfen?“
„Nein, kein Problem, das schaffe ich schon!“
„Amanda?“
„Ja?“
Er versuchte sein Bestes, seiner Stimme einen möglichst unbeschwerten, beiläufigen Klang zu verleihen.“
„Wo hast du diesen Traktor eigentlich her?“
„Oh, aus dem Baumarkt. Der Verkäufer war prima, wirklich. Er wusste genau, was ich haben wollte.“
Mike fragte in demselben nebensächlichen Ton weiter: „Und was wolltest du haben?“
„Ich habe ihm gesagt, dass ich so ein Ding nur ein Mal im Leben kaufen will und etwas Ordentliches brauche. Etwas mit genug Leistung, weil ich selbst nicht besonders stark bin. Ich wollte Qualität, Zuverlässigkeit, nichts, was eine aufwendige Wartung erfordert …“
Mike begann zu verstehen, wie es zu diesem unseligen Kauf gekommen war. Im Prinzip hatte sie die richtigen Fragen gestellt. Sie war nur an den falschen Verkäufer geraten. „Wollte er wissen, wie groß dein Grundstück ist?“
„Klar, aber ich kannte doch die Maße nicht. Ich habe ihm einfach gesagt: ‚Groß.‘“ Sie grinste ihn triumphierend an, als sie erfolgreich den Tank gefüllt und den Tankdeckel wieder zugedreht hatte. Doch als sie Zeit zum Nachdenken fand, erlosch ihr Grinsen plötzlich. „Warum stellst du mir eigentlich all diese Fragen? Glaubst du, dass ich eine schlechte Wahl getroffen habe?“
Keine schlechte, sondern eine katastrophale. Nicht nur, dass sie viel zu viel für das Gerät bezahlt hatte, es war auch einfach viel zu groß für sie und ihren Garten. Aber auf einmal war ihm das gar nicht mehr wichtig. Ihr umwerfendes Lächeln war erloschen, stattdessen wirkte sie plötzlich unsicher … zerbrechlich.
Er erinnerte sich, dass sie mehr als einmal erzählt hatte, dass sie als verwöhntes, überbehütetes Kind aufgewachsen war.
Doch bisher hatte er eins und eins nicht zusammengezählt. Wie wenig lebenstüchtig sie war und wie sehr sie darunter litt. Das grundlegendste Wissen um die simpelsten Dinge fehlte ihr einfach. Hausverstand war keine Selbstverständlichkeit – jedenfalls nicht, wenn man so erzogen worden war wie
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