Eine Nacht in Bari
Jahren. Heute ist das Kino eine Bingospielhalle. Ich enthalte mich eines Kommentars.
Dann gab es das Gran Cinema Margherita, in einem fantastischen Jugendstil-Gebäude, das um die Jahrhundertwende im Einklang mit Himmel und Meer erbaut und ausgemalt wurde. Es steht seit dreißig Jahren leer und verfällt immer mehr. Jede neue Stadtverwaltung verspricht, es renovieren zu lassen und es der Stadt zurückzugeben, wie man so schön sagt.
Dann gibt es noch das Cinema Orfeo. Heute ist es ein Bingosaal.
Es gab die geheimnisvolle Freilichtbühne Giardino mit
ihren grün gestrichenen Sitzen und den Totò-Filmen an manchen Septemberabenden, still und voller Magie. Es wurde dem Erdboden gleichgemacht.
Es gab das ABC-Filmkunst-Kino (so hieß es vollständig, aber für alle war es nur das ABC); ein winziger Saal, nur wenige Schritte vom Leuchtturm entfernt, wo sich heute die Stadt, die Geschäfte und die Banken drängen, während dort damals – in den Siebziger- und Achtzigerjahren – eine irreale Ansammlung von verfallenen, unheimlich wirkenden Baracken stand, in denen vorwiegend ältliche Prostituierte hausten. Wenn ich an diesen Häusern vorbeikam, spähte ich immer hinein, in der Hoffnung, eine Szene käuflicher Erotik zu erhaschen. Der Anblick war jedoch jedes Mal enttäuschend: Alles, was ich sah, waren vermummte, übergewichtige Frauen, die fernsahen und einem, wenn sie einen bemerkten, Blicke zuwarfen, die so einladend und sinnlich waren wie eine Autopsie.
Inmitten dieses Szenarios mit seiner schrägen, irgendwie faszinierenden Tristesse war das ABC-Kino wie eine Insel. Angeblich soll es restauriert werden. Wenigstens sind die Räumlichkeiten aber derart winzig, dass sie niemals einen Bingosaal daraus machen könnten.
Dann gab es noch das Jolly, das früher einmal das Freizeitheim der Postbeamten gewesen war und das wir am liebsten mochten. Es hatte Sitze aus dunklem Holz – die unbequemsten, auf denen ich je gesessen habe -, es war das billigste von allen, und wir gingen zweimal die Woche hin, immer in die Spätvorstellung. Nach dem Film blieben wir meist noch lange vor dem Kino stehen und
unterhielten uns leise. Es wurde Ende der Achtzigerjahre geschlossen, und wenn ich daran vorbeikomme, muss ich immer an das Haus Usher denken.
Und dann gab es noch das Galleria, gleich hinter der Universität. Es hatte einen riesigen Saal mit über tausend Sitzplätzen. Dorthin gingen wir manchmal nachmittags. Unter der Woche, dienstags oder mittwochs, waren wir manchmal nur zu dritt oder viert in dem riesigen Saal. Einmal, ich weiß nicht mehr, bei welchem Film, sagte Paolo, dass man nur dort die Magie des Kinos verstehen könne, vor einer riesigen Leinwand, umgeben von leeren Sitzen. Er hatte verdammt recht.
Heute gibt es diesen wunderbaren Saal nicht mehr, und das Galleria ist zu einem Kinocenter geworden, aber wenigstens ist es kein Bingosaal.
Trotz alldem ist die Kino-Situation in Bari immer noch besser als in anderen Städten. Es gibt immer noch viele Kinos, die man zu Fuß erreichen kann, indem man einen Spaziergang durchs Zentrum macht oder an der Uferpromenade entlang. Um zu meinem Lieblingskino zu gelangen, muss man allerdings das Auto nehmen, außerdem muss man sich sehr gut auskennen und es muss Sommer sein. Dieses Kino heißt »Arena ai Riciclotteri«; ich habe keine Ahnung, was das bedeutet und habe auch noch nie versucht, es herauszufinden.
Der Kartenabreißer verkauft zugleich auch eiskaltes Bier aus einem uralten Kühlschrank aus den Sechzigerjahren und kümmert sich um den ratternden Projektor. Alles ist sehr romantisch und wie aus einer anderen Zeit in diesem Vorstadtkino, das mitten im Nichts steht,
zwischen verlassenen Fabrikhallen, Lagern und Schienen, auf denen plötzlich, mitten in der ergreifendsten Szene, Züge vorbeirollen, irgendwohin, ins Dunkel der Nacht. Die grünen Sitze aus Holz und Metall stehen direkt auf dem Kies, und die Gesichter der Zuschauer, meines mit eingeschlossen, sehen aus, als gehörten sie zu einer Gruppe von Zeitreisenden, die einen Ausflug aus der Vergangenheit zu uns machen. Wenn Sie im Sommer in Bari sind, sollten Sie sich dort einen Film ansehen. Falls Sie es finden!
Ich bin abgeschweift.
Abgesehen vom Kino, gab es in Bari nichts, wo man abends hingehen konnte. Zumindest keine Orte für uns.
Es gab private Vereine – la Vela, l’Unione, il Barion – für ältere Leute, die hauptsächlich Karten spielten. Diese Vereine gibt es immer noch. Die Mitglieder sind auch
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