Eine Nacht in Bari
schäbiger und romantischer als alle anderen. Es gab Bauernsuppen aus Körnern, Soja-Hamburger, Karottenkuchen und viele andere Dinge mit fantasievollen Namen, an die ich mich leider nicht mehr erinnere. Aber das ist auch nicht so wichtig, denn alles, von der Vorspeise bis zum Dessert, schmeckte gleich. Die Kellner waren auf freundliche Weise geistesabwesend, als hätten sie in der Küche noch ein paar andere Pilze gegessen als die, die sie uns servierten. Alles war auf wunderbare Weise fehl am Platz, und es war klar, dass das nicht lange gut gehen würde – manchmal waren wir abends allein im Restaurant, Paolo, Giampiero und ich.
Das Pellicano hingegen hat unglaublicherweise bis heute überlebt, mit denselben Besitzern und mehr oder weniger auch denselben Gästen. Es war ein Jahr nach dem Maltese eröffnet worden und eine verschärfte Version davon. Es war bevölkert von den Anhängern politischer Splittergruppen, Autonomen, Punks, Freaks, Kiffern,
Bartträgern (und ein paar Bartträgerinnen) verschiedenster Couleur, die – wenigstens damals – wenig erpicht waren auf Outsider und Jungs aus guter Familie, die auf Underground-Emotionen spekulierten.
Wenn man heute nach Bari kommt, sollte man einen Abstecher dorthin machen (es ist in der Via Quarto, im Stadtteil San Pasquale), möglichst an einem der Abende, an denen sich dort die griechischen Studenten zu Hunderten treffen (und betrinken). Das ist wie ein Ausflug in die Vergangenheit. Überraschenderweise isst man dort übrigens auch noch gut.
Das Schöne an diesen Lokalen war, dass man sehr leicht Leute kennenlernte, Freundschaft schloss und dem Abend womöglich eine unerwartete Wendung geben konnte.
Eines Abends lernte ich im Maltese ein Mädchen kennen. Sie war hübsch, sehr alternativ und hatte zwei Brüste, die man einfach anstarren musste. Nennen wir sie Bianca, denn so hieß sie tatsächlich.
Ich sei sehr nett, sagte sie fünf Minuten, nachdem wir uns an einem der großen Gemeinschaftstische vorgestellt hatten, wobei sie mir tief in die Augen sah. Sie wohne nicht weit weg, in der Via Nicolai, Ecke Via Brigata Regina, mit zwei Kommilitoninnen; warum gingen wir nicht einfach zu ihr nach Hause und drehten uns ein paar Joints? Sie sagte das, ohne sich um eventuelle Mithörer zu kümmern, stand auf, nahm mich bei der Hand und führte mich weg, unter den erstaunten Blicken von
Giampiero und Paolo und den wesentlich weniger erstaunten Blicken ihrer Freunde, die das Drehbuch offensichtlich schon kannten.
An dieser Stelle muss ich bekennen, dass ich mich zwar als erfahrener Bohemien und Abenteurer gab, dass aber in Wirklichkeit meine einzige psychotropische Erfahrung bis zu jenem Abend im kollektiven Schnüffeln von Kleister während des Werkunterrichts in der achten Klasse bestanden hatte. Nebenher bemerkt, hatte der Lehrer uns auch noch dabei erwischt und uns jede Lust daran auf Dauer verdorben.
Das konnte ich Bianca natürlich nicht sagen, ohne mich bloßzustellen und mir so die interessanten erotischen Aussichten zu ruinieren, die sich plötzlich aufgetan hatten. Komm schon, sagte ich mir, als wir das Maltese verließen, was ist schon dabei? Ich ziehe ein paar Mal, weil ich ein höflicher Junge bin, und dann schreite ich zur Tat. Wobei ich mir die Tat wie eine Art Pornofilm vorstellte, der von Bianca und mir interpretiert würde und, falls der Abend wirklich gelungen sein sollte, auch noch von einer ihrer Mitbewohnerinnen.
Die Wohnung war die typische Wohnung von Studentinnen aus der Provinz. Die beiden Mitbewohnerinnen waren nicht da, was bedeutete, dass ich mir meine kühnsten Fantasien gleich abschminken konnte. Bianca führte mich in eine Küche mit Schränken, die aussahen, als seien sie vom Sperrmüll, und nicht zusammenpassenden Stühlen. Es stank nach kaltem Rauch. Sie verschwand ein paar Minuten lang, und als sie zurückkam, hatte sie ihren Pullover ausgezogen und trug nur noch ein weißes T-Shirt,
aus dem ihre unglaublichen Brüste quollen. Sie hatte Zigarettenpapier, Tabak und ein Küchentuch dabei, das um einen länglichen, Salami-förmigen Gegenstand gewickelt war. Es war wirklich kein kleiner Gegenstand, und als Bianca das Paket auspackte, wurde mir klar, dass es sich bei dem Inhalt um Haschisch handelte. Es war ein Brocken von mindestens einem Kilo, genug, um uns alle beide verhaften zu lassen, falls durch einen dummen Scherz des Schicksals die Polizei oder die Carabinieri plötzlich aufgetaucht wären.
»Ganz schön viel, was?«, meinte
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