Eine Nacht ist nicht genug
seinen dunklen Augen so durchdringend an, dass sie seinen Blick förmlich auf der Haut spüren konnte. „Ich melde mich bei dir“, sagte er nur.
6. KAPITEL
Je länger Luca darüber nachdachte, umso weniger gefiel es ihm. Den ganzen Tag hatte er sich Gedanken gemacht. Einerseits konnte Emily nicht dort bleiben, andererseits behagte ihm die andere Möglichkeit auch nicht. Doch unausweichlich setzte sich wieder sein Verlangen durch.
Stirnrunzelnd betrat Luca den Aufenthaltsraum des Hostels und sagte knapp: „Hol deine Tasche.“
„Wie bitte?“
Emily saß mit gekreuzten Beinen auf einem Sofa, aß Toast und las die Zeitung. Es war halb zehn abends.
„Du solltest hier nicht bleiben – es ist einfach nicht sicher“, erklärte Luca mürrisch. „Hier sind lauter Durchreisende und Leute, die du nicht kennst. Ich würde meine Schwester nicht allein in so einer Herberge wohnen lassen.“
„Hast du denn eine Schwester?“
„Nein, aber wenn ich eine hätte, würde ich es ihr nicht erlauben.“
„Erlauben?“, wiederholte Emily, doch Luca ging nicht darauf ein.
„Hol jetzt deine Tasche. Du kommst mit zu mir nach Hause. Eine Frau sollte hier wirklich nicht allein wohnen.“ Er ging ein wenig hin und her. „Als deine Schwester noch hier war, ging es gerade noch. Aber so nicht.“
Emily stand auf und stellte sich ihm in den Weg. „Du hältst es also nicht für gefährlicher, zu einem Fremden zu ziehen?“
Überrascht blieb Luca stehen. „Ich bin doch kein Fremder! Außerdem weißt du, dass dir von mir keine Gefahr droht.“
Emily schien zu überlegen.
„Du kannst dir das Geld für die Unterkunft sparen, wenn du zu mir ziehst“, fügte er hinzu. „Und schließlich bin ich doch dein Urlaubsflirt, oder? Wie wäre es also, wenn du dich von mir mit dem Gesamtpaket verwöhnen lässt: Unterkunft, Verpflegung und Unterhaltung? Du kannst dann in Ruhe über eine Wohnung und eine Stelle nachdenken.“
„Wirklich sehr großzügig“, stellte Emily fest. „Und was springt für dich dabei heraus?“
„Das, mit dem wir beide rechnen.“
Lucas Haus war eigentlich sein Rückzugsort, sein Allerheiligstes, das nur ihm allein gehörte. Doch nun würde er sich eben einige Tage lang umstellen müssen. Sein Verlangen war zu stark und hatte den Schutzwall niedergerissen, den er vor Jahren um sich errichtet hatte. Aber er würde seine Privatsphäre wieder herstellen und zurückgezogen leben – danach.
„Du weißt, dass ich nicht Nein sagen kann“, stellte Emily leise fest.
„Ja, auch damit hatte ich gerechnet.“
Musste Emily wirklich vor nichts Angst haben? Leise Zweifel meldeten sich in ihrem Innern. Keine Bindung, keinerlei Verpflichtungen – würde das Zusammenleben mit Luca es nicht viel schwieriger machen, auf Distanz zu bleiben? Andererseits war sein Angebot unwiderstehlich – und tatsächlich großzügig. Emily war zwar eine moderne junge Frau und hatte keinerlei Bedenken, allein in einer Herberge zu wohnen, dennoch gefiel ihr Lucas Beschützerinstinkt. Aber selbst wenn es nicht gefährlich war, bei ihm einzuziehen, so war es doch sehr waghalsig. Und bis zu jenem Tag in Verona hatte Emily noch nie etwas Waghalsiges getan. Jene von Genuss geprägte Urlaubsstimmung wurde wieder in ihr wach, und sie musste an die warme italienische Sonne und das beglückende Gefühl denken, in Lucas Armen zu liegen … Warum sollte sie dieses Urlaubsgefühl nicht noch ein wenig in die Länge ziehen? Luca hatte gesagt, dass sie es verdiente, und das stimmte auch.
„Ihr Zimmer, Madam.“
Er hatte für sie das Zimmer ausgesucht, in dem sie auch am Abend zuvor gewesen waren – das Gästezimmer. Es würde also auch weiterhin Grenzen geben: Emily würde nicht mit in Lucas Bett schlafen. Sie ging zum Fenster und betrachtete den riesigen Garten, den sie am Vorabend gar nicht bemerkt hatte.
„Ich zeige dir, wo du den Schlüssel findest, dann kannst du morgens draußen in der Sonne die Zeitung lesen. Das ist wirklich schön.“ Luca nahm ihre Hand. „Jetzt führe ich dich erst einmal durch die übrigen Räume. Die Küche kennst du ja schon, und dein Badezimmer geht von deinem Schlafzimmer ab. Also kommt als Nächstes die Unterhaltung.“
„Ich dachte, du würdest für meine Unterhaltung sorgen!“, erwiderte Emily.
„Das werde ich auch gern immer wieder tun. Aber dieser Raum hier ist für die Zeit, die ich bei der Arbeit bin.“
Emily folgte Luca in einen großen, hellen Raum, in dem ein großes Sofa gegenüber einer Wand
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