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Eine Nacht ist nicht genug

Eine Nacht ist nicht genug

Titel: Eine Nacht ist nicht genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Anderson
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Infusion hinzugefügt wurde, um Nikki die noch verbleibenden Stunden zu erleichtern. Doch Luca konnte ihr Gesicht nicht sehen, er hatte es vergessen.
    Wie war sie?, hatte Emily gefragt, und er hätte ihr in dem Moment keine Antwort geben können.
    „Sie hieß Nikki“, sagte er nun – vor allem um es sich selbst in Erinnerung zu rufen. „Wir haben uns in Oxford auf einer Party kennengelernt. Weil sie fließend Französisch und Deutsch sprach und ich Italienisch und Spanisch, nahmen wir uns im Spaß vor, den ganzen Kontinent zu erobern.“
    Er hatte sie doch geliebt, oder nicht? Zumindest hatte er immer geglaubt, dass er niemals etwas Tieferes empfinden könnte … doch angesichts der heftigen, verrückten Leidenschaft, die er mit Emily erlebte, begann die Erinnerung schwächer zu werden. Luca hatte das schreckliche Gefühl, sich unloyal zu verhalten.
    „Sie hatte braune Augen, dunkles Haar, war groß und schlank, eine typische Französin.“ Mit aller Macht versuchte er sich ihr Bild wieder vor Augen zu rufen. „Sie war sehr eigensinnig und ein bisschen verwöhnt. Eigentlich sogar ziemlich verwöhnt. Nikki konnte sehr launisch sein, aber …“ Mit einem Mal waren die Erinnerungen wieder da. „Sie hätte jeden Mann haben können, aber sie hat sich für mich entschieden.“ Und dann war die launische, temperamentvolle, junge Nikki plötzlich nicht mehr da gewesen.
    Nach ihrem Tod hatte Luca die Leere in seinem Leben zu füllen versucht: mit Arbeit und dem Ehrgeiz, erfolgreich zu sein.
    Was ihm ja, zumindest in finanzieller Hinsicht, auch gelungen war. Und er hatte es geschafft, sich abzuschotten und sein Herz zu verschließen, damit er nicht noch einmal Gefahr lief, einen anderen Menschen so zu brauchen – und ihn dann zu verlieren. In seiner Kindheit und Jugend hatte es in Lucas Leben keinen Menschen gegeben, der sich liebevoll um ihn gekümmert hatte. Und als er dann Nikki begegnet war, hatte das Schicksal sie ihm bald wieder entrissen.
    „Es ging unfassbar schnell“, sprach er nun leise weiter. „Nikki war immer schlank gewesen, doch dann war sie plötzlich abgemagert. Und als wir begriffen hatten, was geschah, konnte man schon nichts mehr tun.“
    Eine Hand berührte sanft die seine, und dann sagte eine Stimme noch sanfter: „Es tut mir leid, dass du sie verloren hast, Luca.“
    Voller Hass auf sich selbst schloss er die Augen, denn sein erster Gedanke in Reaktion auf Emilys Worte war grundfalsch gewesen. Wie hatte er zulassen können, dass ein paar leidenschaftliche Momente diesen wichtigen Teil der Vergangenheit auslöschten? Was war er nur für ein Mensch?
    Sein Begehren, das so unbeherrschbare, heftige Empfindungen aufflackern ließ, frustrierte ihn zutiefst. Luca atmete tief ein und kämpfte gegen die Übelkeit an, die ihn angesichts der wild durcheinanderwirbelnden Bilder in seinem Kopf erfasste. Er musste einen Schritt zurücktreten und sich in Enthaltsamkeit üben, statt seinen Impulsen nachzugeben.
    „Ich bin ziemlich müde“, behauptete er deshalb, als sie nach Hause kamen. „Ich werde gleich ins Bett gehen.“
    „Gut.“
    Luca ignorierte den Tonfall sanften Verständnisses. Er wollte nicht, dass Emily ihn verstand, mit ihm fühlte oder Anteil nahm. Er wollte gar nichts von ihr – insbesondere wollte er nicht den Trost, den ihre Arme und ihre hingebungsvolle Zärtlichkeit boten. Also gab er sich innerlich einen Ruck und eilte in das private Gefängnis, zu dem sein Schlafzimmer geworden war.
    Emily blickte ihm nach und verspürte bei jedem seiner Schritte einen Stich im Herzen, weil er so furchtbar gequält wirkte. Ich hätte nicht fragen sollen, dachte sie. Es tat ihr in der Seele weh, dass sie ihm nicht helfen konnte – und sich selbst auch nicht. Warum nur hatte sie sich in jemanden verlieben müssen, der sie nicht so lieben konnte, wie sie es brauchte? In einen Mann, der ihre Liebe nicht wollte?
    In Lucas Augen mochte sie zwar gut genug dafür sein, mit zu einem Ball genommen zu werden und sich unter illustre Gäste zu mischen. Doch das alles zählte nicht, denn wie konnte sie es mit der Erinnerung an seine tote Frau aufnehmen?

13. KAPITEL
    Noch nie hatte Luca einen Tag erlebt, der so langsam vergangen war. Sein ganzer Körper schmerzte, als hätte er an einem Hochleistungs-Sportwettkampf teilgenommen. Enthaltsamkeit war offenbar nicht die Lösung, denn er hatte die ganze vergangene Nacht wachgelegen und versucht, sein Verlangen, die Geister der Vergangenheit und eine heftige Wut

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