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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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vor.
    »Womit?«
    »Wir kriechen auf einen Getreidewagen. Springen irgendwo ab. Ziemlich egal, wo. Und kehren nie mehr in die Moschawa zurück.« Bei diesen Worten erlosch das Funkeln in Naamas Augen. Niemals? Jenseits der Zypressenallee döste die Moschawa im Mittagsschlaf, ahnte nichts von der geplanten Untreue. Die Hühner gackerten in einiger Entfernung, die Erde atmete schwer. »Nein«, sagte Naama, »wir können die Moschawa nicht verlassen. Keiner hat das getan. Außer Abraham Mandelbaum, von dem alle sagen, er sei verrückt gewesen, und einigen Pionieren, die Angst vor Malaria hatten, und die verspottet man bis heute in Heimatkunde.« Jetzt entspannte sich Jair Feinbergs Wirbelsäule endlich. Er rollte sich wieder auf den Rücken, die Augen gen Himmel gerichtet. Schön und gut. Seine Schwester blieb da. Doch Zwi Markowitz ließ nicht locker, stand auf und wollte energisch wissen: »Aber warum denn nicht?« Jair und Naama Feinberg blieben auf dem Boden liegen. »Weil Bauern ihr Dorf nicht verlassen«, erwiderte Jair. »Sonst sind wir wie die da.«

4
    D en Groll auf »die da« hatte Seev Feinberg seinen Kindern nachhaltig eingebläut. Mit Tel Aviv hatte er schließlich persönlich ein Hühnchen zu rupfen. Seit Sonia den Ort zu ihrem zweiten Wohnsitz gemacht hatte, konnte Seev Feinberg den Anblick der Stadt nicht mehr ertragen. Fast hatte er vergessen, dass er selbst, gerade erst an den Küsten Palästinas gelandet, etwas gezögert hatte, ehe er sich für das Bauernleben entschied. Die Zeit, die seither vergangen war, hatte die Kurven und Weggabelungen weggeschnitten, sodass sein Lebensweg nun wie eine gerade Straße aussah, die er energisch beschritten hatte.
    »Ein Haufen von Beamten und Sekretären und Händlern. In der ganzen Stadt gibts keinen einzigen echten Mann.«
    »Keinen einzigen?« Sonia klang belustigt, ihre Brauen signalisierten Skepsis. Seit ihrer gestrigen Rückkehr in die Moschawa stritten und versöhnten sie und Feinberg sich unermüdlich, und jetzt beim Freitagabendessen war sie schon gut gelaunt genug, um Feinbergs Abneigung gegen die Stadt nur als ein Spiegelbild seiner Liebe zu ihr zu erkennen.
    »Ich bitte dich, Sonia, dieser Junge hier ist doch kräftiger als die dort.«
    Als Jair das hörte, strahlte er übers ganze Gesicht vor Freude. Seit Seev Feinberg dem Pfirsichgeruch den erbitterten Kampf angesagt hatte, lobte er den Jungen nicht mehr viel. Er verordnete ihm ausgedehnte Wannenbäder und ließ die Fenster immer offen stehen, damit der Duft nicht in den Zimmern hing. Solch ein – wenn auch nur beiläufig gefallenes – Kompliment aus dem Mund seines Vaters war viel wert. Seev Feinberg achtete nicht auf die Freude seines Sohnes und fuhr fort: »Das gebe ich dir schriftlich, Sonia, keinen einzigen echten Mann haben sie dort in deiner Stadt. Außer Freuke.« Als Seev Feinberg den Namen des Irgun-Vizechefs aussprach, huschte ein Schatten über Sonias Gesicht. Seev Feinberg bemerkte es nicht, weil er in Gedanken an seinen Freund versunken war. Jair Feinberg bemerkte es nicht, weil er in emsige Bemühungen versunken war, seinen Vater zufriedenzustellen. Doch Naama, stets erpicht auf die Reste an Zuneigung, die Sonia ihr zuwerfen mochte, bemerkte den flüchtigen Schatten über dem Gesicht ihrer Mutter und behielt ihn im Herzen.
    »Ja«, sagte Seev Feinberg noch einmal, »Freuke ist ein echter Mann.«
    »Warum?«, fragte Jair Feinberg, entschlossen herauszufinden, was den Menschen zum echten Mann machte, ihn aus dem alltäglichen Dasein in die großartige Sphäre derer erhob, die sein Vater mit anerkennendem Blick erwähnte. Da begann Seev Feinberg von den Großtaten des Irgun-Vizechefs zu erzählen, kam immer mehr in Fahrt, während Sonia sich immer mehr verkrampfte. In seiner Begeisterung vergaß Seev Feinberg, dass er seinen Freund seit Jahren nicht gesehen hatte, dass dieser jede Einladung unter allerlei Ausflüchten ausschlug. Doch solche Dinge sind nichts als Kleinkram. Wichtig ist dieses Gemisch aus Waffenöl und Schlamm, Schießpulvergeruch und Blut, das echte Männer kennzeichnet. »Verstehst du, Kind, ein Bursche wie Freuke war fähig, mit der einen Hand einem britischen Polizisten die Nase einzuschlagen und dabei mit der zweiten Mundharmonika zu spielen. Jeder andere Kämpfer hätte sich gleich danach aus dem Staub gemacht, aber Freuke, der hat erst mal das Lied zu Ende gespielt und ist dann weggegangen. Langsam, wie ein Gentleman. Ohne Spuren zu hinterlassen. Man hat ihn nie

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