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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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erwischt. Dich, mit deinem Kompostgeruch, dich hätte eine halbe Minute später die ganze Kompanie aufgespürt.«
    Auf Seev Feinbergs letzte Worte hin warf Sonia ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, aber der prallte an seinen glasigen Augen ab. Denn Seev Feinberg hatte längst den häuslichen Raum verlassen. Anstelle des Holztischs sah er jetzt die Grube vor sich, in der der Irgun-Vizechef und er sich vor vielen Jahren verborgen hatten, als sie sich anschickten, die Mauern eines britischen Gefängnisses für illegale Einwanderer zu sprengen. Der Sprengstoffgürtel umschlang ihre Lenden wie eine leidenschaftliche Geliebte. Die Todesnähe schärfte die Sinne und machte die Welt wunderschön. Noch nie hatten die Sterne so hell über ihnen am Himmel gefunkelt wie in dieser Nacht, als an die fünfzig Kilogramm Sprengstoff bei jedem Schritt an ihrer Haut rieben. Unwillkürlich griffen Seev Feinbergs Finger nach dem abgeschabten Ledergürtel an seinen Lenden, in den er kürzlich ein neues Loch hatte stanzen müssen, um ihn noch schließen zu können. Wie bereitwillig würde er diese warme Stube jetzt gegen stummes nächtliches Robben eintauschen. Aber die Zeiten des Anschleichens waren aus und vorbei. Jetzt gab es Rechnungen zu bezahlen und zerbrochene Pflüge zu flicken und Kinder, denen man komische Gerüche austreiben musste. Erstmals seit der Nacht, in der er irrtümlich die Mutter und das Baby getötet hatte, sehnte Seev Feinberg sich nach dem Krieg zurück. Und wie so oft nahm diese Sehnsucht konkrete Gestalt an: die Gestalt des Irgun-Vizechefs. Denn während Seev Feinberg Sprösslinge aufzuziehen und Felder zu bestellen hatte, war Efraim der Alte geblieben: ein Kämpfer. Nicht Kinder hingen ihm an der Schulter, sondern eine Waffe. Seine Tage verbrachte er mit hochwichtigen strategischen Planungen. Seev Feinberg schwärmte immer weiter von Efraim und ihren gemeinsamen Großtaten, und Jair Feinberg hörte zu und nahm es in sich auf. Jetzt wusste er, was er zu tun hatte, wie er endlich die Enttäuschung in den Augen des Vaters loswurde. So beschloss Jair Feinberg denn eines Freitagabends Ende August über einem Teller angebrannter Kartoffeln, ein Kämpfer zu werden.
    Das Trainingslager wurde am fernen Ende des Wadis eingerichtet und streng geheim gehalten. Zwi Markowitz und Naama Feinberg waren die einzigen Teilnehmer, und sie gelobten absolute Treue in einer komplizierten Zeremonie, die das Vermischen von Blutstropfen und das Köpfen einer Heuschrecke einschloss. Sie trainierten Laufen und Springen, Auflauern und sonstige Kriegslisten. Vor allem aber übten sie sich in der Verachtung für »die da«. Ganze Nächte verbrachten sie mit abschätzigen Reden über Jungs, die jetzt in ihren Betten schliefen, Jungs, die nicht nach den Sternen navigieren oder Spuren verwischen konnten. Jungs, die beim Anschleichen innerhalb von Minuten geschnappt werden würden. Nicht erwähnen durfte man Jair Feinbergs eigene Aussichten, geschnappt zu werden – mit Vollendung des dreizehnten Lebensjahrs war sein Pfirsichduft noch stärker geworden, zuckersüß geradezu. Und manchmal, wenn sie sich alle drei hinter eine Felsplatte duckten, um einem Terroristen aufzulauern, der nie eintraf, streifte Zwi Markowitz’ Arm versehentlich Naamas Handrücken. Diese Momente, über die niemals gesprochen wurde, waren ihm all die schlaflosen Nächte wert.
    Als der Winter anbrach, erwartete Zwi Markowitz, dass sie sich jetzt wohl andere Beschäftigungen suchen würden. Doch das war ein Irrtum, wie er bald merkte. Jair Feinberg betrachtete Kälte und Regen als vorzügliche Gelegenheit, ihre Ausdauer und Kühnheit zu stählen. Auch die Lungenentzündung, die sie sich alle drei zuzogen, nachdem sie auf seinen strikten Befehl das Wasserreservoir mit ihm durchschwommen hatten, tat seiner Entschlossenheit keinen Abbruch. Noch ehe sein Fieber ganz weg war, schlich er sich wieder zum Morgentraining hinaus. Dagegen hütete Zwi Markowitz noch spuckend und hustend das Bett, als seine Kameraden längst wieder genesen waren, bis der Arzt feststellte, dass er nicht an einer seltenen Art von Lungenentzündung litt, sondern an schwerem Asthma. Jair Feinberg vernahm es und wurde blass im Gesicht. Er wusste sehr wohl, dass schweres Asthma seinen Freund kampfuntauglich machte, ihn »denen da« in die Arme trieb. Nachdem Zwi Markowitz wieder aufgestanden war, erwähnte kein Mensch mehr das Wort »Asthma«, ebenso wenig wie Jairs Pfirsichgeruch oder Naamas Weiblichkeit. Diese

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